aus: Wilkinson/Pickett (2010)

Aus der systemtheoretischen Perspektive dieses Kurses wird die Entwicklung der Gesellschaft über die Ausdifferenzierung ihrer wesentlichen Leistungsbereiche (Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Soziale Arbeit usw.) interpretiert.

Diese analytische Betrachtung orientiert sich an Wirkungen und Zusammenhängen und geht nicht von der Beobachtung von Ungleichheit, Not oder Gewalt aus. Diese normativ nicht hinnehmbaren Zustände werden wahrgenommen. Die Unterscheidungen zwischen den wissenschaftlichen Analysen, kulturellen Wertsetzungen, politischen Gestaltungsaufgaben und sozialarbeiterischer Praxis helfen Beziehungen zu erfassen, ermöglicht diese Beziehungen zu reflektieren und begründete Handlungsperspektiven zu entwerfen.

Auch die Aufgaben und Leistungen der Sozialen Arbeit werden vor dem Hintergrund der Ausdifferenzierung der Gesellschaft verständlich nachvollziehbar. Diese Aufgaben (z.B. gesellschaftlich erwartbare Hilfe anzubieten) sind im sozialen, demokratischen Rechtsstaat den Bürgern und den Institutionen der Gesellschaft zu vermitteln. Den Organisationen der Funktionssysteme Politik, Wirtschaft, Gesundheit und Justiz, ist plausibel zu machen, welche Funktionen Soziale Arbeit in der Gesellschaft übernimmt. Diese Vermittlungsleistung kann nicht an die Medien abgetreten werden sondern funktioniert mit Hilfe sozialstaatlicher Begriffe. Diese Begriffe bilden von Vielen geteilte Vorstellungen und ermöglichen soziale und organisatorische Anschlüsse.

Ein zentraler Leitbegriff ist die soziale Gerechtigkeit.

Beacker (1994) weist dem Begriff der sozialen Gerechtigkeit die Funktion zu, die dauerhafte Ausdifferenzierung der Sozialen Arbeit zu sichern. Obwohl es das Ziel Sozialer Arbeit ist, sich auf der Ebene des Falles überflüssig zu machen, kann sie ihre Organisationen sichern, weil sie plausibel darstellen kann, dass sie auf die ständigen Anforderungen nach sozialer Gerechtigkeit reagiert und verlässliche, organisatorisch gesicherte Antworten bereithält.

Die Bearbeitung der Nebenfolgen der Funktionssysteme kann nicht in einem 1:1 Verhältnis gestaltet werden. Auch ist es nicht möglich, der Sozialen Arbeit unbegrenzte Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Es ist weder begründbar noch vermittelbar, dass die Soziale Arbeit ausschließlich an ihren Vorstellungen ausgerichtete Mittel beansprucht und dann nach ihrem Belieben verteilt. Stattdessen ist ein Diskurs erforderlich, an dem Kriterien der gesellschaftlich Hilfevorstellungen und Hilfeleistungen ausgerichtet werden.

Dieser Diskurs wird unter der Überschrift soziale Gerechtigkeit geführt.

Im Folgenden werden Ihnen:

  • die Eckpunkte der Diskussion und
  • der Begriff soziale Gerechtigkeit vorgestellt sowie
  • zentrale Theorien der sozialen Gerechtigkeit präsentiert und
  • Hinweise zur systemischen Praxis gegeben.

Der Text wurde von Mareike Burger und Wilfried Hosemann geschrieben, dabei wurden die Texte W. Hosemann (2009, 2010) überarbeitet.