Einführung
Warum soll ich mich mit Systemtheorie beschäftigen?
Zu prüfen, welche Theorie der Praxis nutzt, ist gute Tradition in der Sozialen Arbeit. Wie die Praxis, ist auch das hier vorgestellte systemtheoretische Denken daran orientiert, wie sich etwas mit etwas anderem verknüpfen lässt, sodass verantwortungsvoll und erfolgreich gearbeitet werden kann. Dieses kreative Herstellen von Beziehungen spiegelt sich auch im Theoriegebäude selbst wider: Nicht durch isolierte Blicke auf einzelne Elemente, sondern durch das Zusammenspiel der einzelnen Teiltheorien wird die Bandbreite des Nutzens deutlich.
Soziale Arbeit in der Gesellschaft und für die Gesellschaft hat es mit vielen unterschiedlichen Interessen und Perspektiven zu tun. Z.B. ist es oft nicht klar, wer eigentlich jeweils Auftraggeber ist. Systemtheorie hilft bei solchen Unübersichtlichkeiten, durch Analysen die Übersicht zu behalten und im Sinne ihrer KlientInnen hilfreich zu sein. Eine der Motive, sich mit Systemtheorie genauer zu beschäftigen, liegt daher auch in dem Mehr an Klarheit in Bezug auf eigene Zuständigkeiten und im Mehr an Sicherheit im Umgang mit komplexen Ansprüchen an die Soziale Arbeit ‚von außen'. So gilt ‚systemisches Arbeiten' mittlerweile in Teilen der professionellen Praxis als qualitatives ‚Gütesiegel', mit dem Leistungen genauer begründet werden. Der breite Gebrauch des Begriffs ‚System' führt auf der anderen Seite aber auch zu Unklarheiten, was damit eigentlich genau gemeint sein soll.
Auch ‚nach innen', für die Praxis der Sozialen Arbeit selbst, gibt Systemtheorie Orientierungen. Denn: Nicht alles, was vordergründig wünschenswert erscheint, ist zugleich machbar und KlientInnen zumutbar. Um Soziales nachhaltig mitzugestalten, ist es notwenig, verantwortlich mit den eigenen Möglichkeiten und Grenzen des Wirkens umzugehen. Systemtheorie, wie sie im folgenden vermittelt wird, setzt bei genau dieser Verantwortlichkeit an. Sie lässt Soziale Arbeit nicht etwa bei ihren AdressatInnen beginnen, sondern bei der Beobachtung des eigenen Handelns. Dieses auf die eigenen Gedanken und Handlungen gerichtete prüfende Nachdenken ist kennzeichnend für die reflexionsbasierte Profession Soziale Arbeit und entspricht zugleich angewandter Ethik.
Die zunächst schwierige und abstrakte Sprache der Systemtheorie ermöglicht die Beschreibung von Unterschiedlichem (z.B. psychischer, sozialer, gesellschaftlicher und organisatorischer Zusammenhänge) mit einheitlichen Begriffen. Der ‚Preis' dieser Abstraktionen ist, dass systemtheoretisches Denken keine eindeutigen Rezepte ‚richtigen' Handelns liefert. Wenn man so will, ist Systemtheorie für sich genommen scheinbar inhaltsleer und wertneutral. Erst durch die ‚Selbstverarbeitung' der Theorie durch das System Soziale Arbeit und unter Berücksichtigung der je eigenen Folgerichtigkeiten gewinnt Systemtheorie an Bedeutung. Welche Rahmen und welche Bezugspunkte der Sozialen Arbeit jeweils wichtig sind, entscheidet sie auch unter Zuhilfenahme von Wissen aus anderen Gebieten, wie z.B. der Medizin oder dem Recht. Auch hier gilt: Soziale Arbeit könnte ihre Entscheidungen jeweils auch an anderen Kontexten ausrichten. Daher braucht sie eine Theorie, die beobachter- und kontextbezogenes Denken fördert. Genau das leistet Systemtheorie.