Einführung
Website: | Lernplattform Moodle | KSH München |
Kurs: | 1.2B/VHB "Einführung in systemtheoretische Grundlagen" - Musterkurs (Kirchner) |
Buch: | Einführung |
Gedruckt von: | Gast |
Datum: | Donnerstag, 21. November 2024, 22:03 |
Warum soll ich mich mit Systemtheorie beschäftigen?
Zu prüfen, welche Theorie der Praxis nutzt, ist gute Tradition in der Sozialen Arbeit. Wie die Praxis, ist auch das hier vorgestellte systemtheoretische Denken daran orientiert, wie sich etwas mit etwas anderem verknüpfen lässt, sodass verantwortungsvoll und erfolgreich gearbeitet werden kann. Dieses kreative Herstellen von Beziehungen spiegelt sich auch im Theoriegebäude selbst wider: Nicht durch isolierte Blicke auf einzelne Elemente, sondern durch das Zusammenspiel der einzelnen Teiltheorien wird die Bandbreite des Nutzens deutlich.
Soziale Arbeit in der Gesellschaft und für die Gesellschaft hat es mit vielen unterschiedlichen Interessen und Perspektiven zu tun. Z.B. ist es oft nicht klar, wer eigentlich jeweils Auftraggeber ist. Systemtheorie hilft bei solchen Unübersichtlichkeiten, durch Analysen die Übersicht zu behalten und im Sinne ihrer KlientInnen hilfreich zu sein. Eine der Motive, sich mit Systemtheorie genauer zu beschäftigen, liegt daher auch in dem Mehr an Klarheit in Bezug auf eigene Zuständigkeiten und im Mehr an Sicherheit im Umgang mit komplexen Ansprüchen an die Soziale Arbeit ‚von außen'. So gilt ‚systemisches Arbeiten' mittlerweile in Teilen der professionellen Praxis als qualitatives ‚Gütesiegel', mit dem Leistungen genauer begründet werden. Der breite Gebrauch des Begriffs ‚System' führt auf der anderen Seite aber auch zu Unklarheiten, was damit eigentlich genau gemeint sein soll.
Auch ‚nach innen', für die Praxis der Sozialen Arbeit selbst, gibt Systemtheorie Orientierungen. Denn: Nicht alles, was vordergründig wünschenswert erscheint, ist zugleich machbar und KlientInnen zumutbar. Um Soziales nachhaltig mitzugestalten, ist es notwenig, verantwortlich mit den eigenen Möglichkeiten und Grenzen des Wirkens umzugehen. Systemtheorie, wie sie im folgenden vermittelt wird, setzt bei genau dieser Verantwortlichkeit an. Sie lässt Soziale Arbeit nicht etwa bei ihren AdressatInnen beginnen, sondern bei der Beobachtung des eigenen Handelns. Dieses auf die eigenen Gedanken und Handlungen gerichtete prüfende Nachdenken ist kennzeichnend für die reflexionsbasierte Profession Soziale Arbeit und entspricht zugleich angewandter Ethik.
Die zunächst schwierige und abstrakte Sprache der Systemtheorie ermöglicht die Beschreibung von Unterschiedlichem (z.B. psychischer, sozialer, gesellschaftlicher und organisatorischer Zusammenhänge) mit einheitlichen Begriffen. Der ‚Preis' dieser Abstraktionen ist, dass systemtheoretisches Denken keine eindeutigen Rezepte ‚richtigen' Handelns liefert. Wenn man so will, ist Systemtheorie für sich genommen scheinbar inhaltsleer und wertneutral. Erst durch die ‚Selbstverarbeitung' der Theorie durch das System Soziale Arbeit und unter Berücksichtigung der je eigenen Folgerichtigkeiten gewinnt Systemtheorie an Bedeutung. Welche Rahmen und welche Bezugspunkte der Sozialen Arbeit jeweils wichtig sind, entscheidet sie auch unter Zuhilfenahme von Wissen aus anderen Gebieten, wie z.B. der Medizin oder dem Recht. Auch hier gilt: Soziale Arbeit könnte ihre Entscheidungen jeweils auch an anderen Kontexten ausrichten. Daher braucht sie eine Theorie, die beobachter- und kontextbezogenes Denken fördert. Genau das leistet Systemtheorie.
Welche Systemtheorie wird mir hier vermittelt?
Worauf Luhmann schon 1984 hingewiesen hat, kann auch gegenwärtig noch gelten: "'Systemtheorie' ist ein Sammelbegriff für sehr verschiedene Bedeutungen und sehr verschiedene Analyseebenen. Das Wort referiert keinen eindeutigen Sinn" (Luhmann 1984: 15). Entsprechend wird im folgenden Leittext auf verschiedene Autoren Bezug genommen. Berührt sind dabei neben soziologischen Ansätzen u.a. auch solche aus den Bereichen Familientherapie und der Kybernetik.
Systemische Denkfiguren werden insbesondere über Bücher und Artikel in Zeitschriften der Fachöffentlichkeit zugänglich gemacht. Exemplarisch werden nun einige dieser Werke benannt.
Publikationen aus dem Bereich systemischen Denkens sind z.B:
- Bateson, G.: Ökologie des Geistes. Frankfurt a. M., 1981
- Luhmann, N.: Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie. Frankfurt a. M., 1984
- Simon, F. B.: Unterschiede, die Unterschiede machen. Suhrkamp 1999
- Maturana, H.R./Varela, F.J.: Der Baum der Erkenntnis - Die biologischen Wurzeln des menschlichen Erkennens. Bern und München, 1984, 4. Auflage 1992
- Willke, H: Systemtheorie I: Grundlagen. UTB. Stuttgart und New York 1996, 5. Auflage
- Willke, H: Systemtheorie II: Interventionstheorie, UTB. Stuttgart und New York 1996, 2. Auflage
- Ludewig: "Leitmotive systemischer Therapie"
- Simon, F. B./Clement, U./Stierlin, H.: Die Sprache der Familientherapie. Ein Vokabular. 1999, 5. Auflage
Publikationen in Bezug auf eine systemtheoretische Reflexion der Sozialen Arbeit sind z.B:
- Bardmann, T. M.: Luhmanns Systemtheorie in der Reflexion Sozialer Arbeit.
- In: Merten, R. (Hg.): Systemtheorie Sozialer Arbeit. Neue Ansätze und veränderte Perspektiven. Opladen, 2000
- Bommes, M./ Scherr, A.: Exklusionsvermeidung, Inklusionsvermittlung und / oder Exklusionsverwaltung. In: Neue Praxis, H. 2, 1996, S. 107 - 123
- Hollstein-Brinkmann, H.: Soziale Arbeit und Systemtheorien. Freiburg im Breisgau, 1993
- Kleve, H.: Soziale Arbeit und Ambivalenz. In: Neue Praxis, H. 4, 1999: 368 - 382
In der aktuellen Diskussion um systemtheoretische Konzepte in der Sozialen Arbeit lassen sich zwei unterschiedliche Ansätze ausmachen. Der eine geht von einem Sein aus, das unabhängig von einem Beobachter existiert (vgl. z.B.: Staub-Bernasconi 1995). Im Gegensatz zu dieser Vorstellung wird Ihnen hier eine Theorie angeboten, die den Ausgangspunkt beim Beobachter selbst setzt. Diese Richtung, die die Bedeutung des Beobachters für das, was beobachtet wird, unterstreicht, lässt sich als systemisch-konstruktivistische Systemtheorie bezeichnen.
Im folgenden werden systemtheoretische Denkfiguren eingeführt, dargestellt und zu Fragestellungen der Sozialen Arbeit in Beziehung gesetzt.
Wie kann ich Systeme erkennen?
Die theoretischen Überlegungen beim Beobachter beginnen zu lassen hat vermutlich überraschende Konsequenzen: Systeme lassen sich streng genommen gar nicht voraussetzungslos erkennen, sondern ‚nur' durch einen aktiven Akt entwerfen. Z.B. entscheidet die Soziale Arbeit in der Praxis immer wieder aufs neue, wer in die Hilfe einzubeziehen ist, wer zum System helfender Kommunikation dazugehören könnte und wer nicht.
Systeme als soziale Wirklichkeiten zu fassen, meint in der Sprache der Theorie, dass sie durch einen Beobachter konstruiert werden. Beobachtung als Sammelbegriff bedeutet dabei nicht einfach nur Sinneseindrücke (z.B. visuelle), sondern auch solche wirklichkeitsstiftenden Vorgänge, wie z.B. Beschreibungen, Erzählungen, Denkvorgänge und soziale Handlungen. Jeder Beobachtung liegt eine Unterscheidung zugrunde. Solche Unterscheidungen sind z.B. arm/reich, jung/alt, gut/böse, Frau/Mann oder normal/abweichend. Systemische Überlegungen, wie sie in diesem Text vertreten werden, interessieren sich nun nicht vorrangig für eine möglichst genaue Abbildung von scheinbar objektiver Realität, vielmehr unterstützen entsprechende theoretische Denkfiguren eine ‚Schärfung' von Beobachtung. Welche Unterscheidung liegt der jeweiligen Beobachtung zugrunde?
Für die Soziale Arbeit ist es von zentraler Bedeutung, die eigenen Handlungen und die Handlungen von Anderen zu beobachten. Eine der Herausforderungen in der Praxis besteht darin, Soziales zu gestalten ohne genau zu wissen, wie es ist bzw. wie es wirklich war. Systemtheorie hilft z.B. im Umgang mit Berichten und Erzählungen, mit der Beobachtung von Beobachtung.
Ein Beobachter unterliegt keiner zwingenden Notwendigkeit jeweils genau so und nicht anders beobachten zu müssen. Damit wird das Ausmaß an Autonomie des Beobachters betont. Der Begriff Kontingenz fängt theoretisch die Grade der Freiheit und die Möglichkeiten des Handelns ein. Nach Luhmann ist etwas kontingent, wenn es "so, wie es ist (war, sein wird), sein kann, aber auch anders möglich ist" (Luhmann 1984: 152). Weil er auch anders könnte, ist der Beobachter zwar autonom, seine Unterscheidungen trifft er aber nicht in einem ‚Vakuum'. Die jeweiligen Wirklichkeitskonstruktionen sind nicht beliebig oder gar willkürlich. Der Sinn, der durch Unterscheidungen entsteht, erschließt sich erst durch den Kontext, den Bezugsrahmen. "Was ein Beobachter sieht und beschreibt, hängt nicht nur von seiner Theorie, sondern auch von seinem Beobachtungsstandort, seiner gesellschaftlichen Rollendefinition und dem institutionellen Rahmen der Beobachtung ab" (Simon, 1993: 284).
Systeme kann man über Grenzen erkennen, die sie ziehen. An diesen Grenzen können auch Folgen und Unterschiede (Effekte) erkannt und zugeordnet werden.
Was ist ein System?
In der Geschichte systemtheoretischen Denkens finden sich verschiedene Vorstellungen von dem, was unter einem System zu verstehen ist. Zunächst soll das Verständnis von 'System' offengelegt und die - diesen Text leitende - Definition vorgestellt werden.
Es wird hier von einer Systemdefinition ausgegangen, welche unter einem System ein Netz zusammengehöriger Operationen versteht, das sich von nicht dazugehörigen Operationen abgrenzen lässt (vgl. z.B. Willke 1996 a; Luhmann 1984). Deutlich ist bei dieser Definition, dass ein relationaler Begriff zur Anwendung kommt, der sich grundlegend auf die Differenz zwischen System und Umwelt bezieht. Systeme lassen sich als Identitäten begreifen, die sich in einer komplexen und veränderlichen Umwelt durch die Stabilisierungen in den Außendifferenzen erhalten. Ein wesentlicher Vorzug dieser Definition ist, dass sie auf Operationen aufbaut und nicht auf Elementen oder Objekte angewiesen sind, die untereinander in geordneten Beziehungen stehen.
In den folgenden Passagen des Texts werden - dieser Definition folgende - systemtheoretische Denkfiguren dargelegt und auf Fragestellungen der Sozialen Arbeit bezogen. Es wird darum gehen, wie sich Systeme bilden, wie sie ihre Strukturen verändern bzw. welche Systemtypen sich beobachten lassen.
Wie erzeugen sich Systeme?
Eine Möglichkeit, sich das Entstehen von Systemen zu erklären, besteht darin, bestimmte Operationen und Eigenschaften von Systemen unter dem Aspekt der Selbsterzeugung zu betrachten
(Autopoiese). Weitere Überlegungen beziehen sich auf Prozesse der Ausdifferenzierung, des Wachstums von Systemen bzw. auf die Bearbeitung von Schwierigkeiten.
"Das System kann seiner eigenen Geschichtlichkeit nicht entrinnen, es muß immer von dem Zustand ausgehen, in den es sich selbst gebracht hat" (Luhmann 1997: 883). Jeweils bezieht es sich auf seine eigenen internen Strukturen, dem Ergebnis vorangegangener Operationen. Aus der Perspektive der Systemtheorie Niklas Luhmanns ist ein System zwar für Informationen und Überraschungen aus der Umwelt offen, es bezieht sich bei seinen Unternehmungen jedoch stets auf seine eigenen Zustände. Denken schließt an Denken an, Kommunikation an Kommunikation. Systemtheoretisch formuliert: Systeme sind operational geschlossen.
Diese theoretischen Überlegungen betonen das Ausmaß an Autonomie, mit der Klienten auf die kommunikativen Angebote von Sozialarbeitern reagieren. Die Erfolgschancen methodischen Handelns in der Sozialarbeit hängen demnach von den Sinnstrukturen der Klienten ab. Respektieren SozialarbeiterInnen diese Grenzen ihres Wirkens, dann können sie wegen der Eigen-Sinnigkeit ihrer AdressatInnen mit Ohnmacht frustriert reagieren oder aber Systemtheorie mit einem ‚alten' Arbeitsmotto der Sozialen Arbeit verbinden: ‚Fange da an, wo der Klient steht!'.
Die Frage, wie eine Operation im System an eine andere anschließt, ist sehr vielschichtig. Die Fülle der Möglichkeiten, auf die sich ein System aus dem Bereich der Umwelt beziehen kann, ist äußerst komplex. Das System steht unter dem Druck, auswählen zu müssen. "Wenn man Komplexität als eine Vielzahl von Elementen beschreibt, von denen nicht jedes mit jedem anderen verknüpft werden kann, dann ist in die Komplexität ein Selektionszwang eingebaut" (Luhmann 2002: 236). Um sich von ihrer Umwelt zu unterscheiden, betreiben Systeme Komplexitätsreduktion. Die Richtschnüre, was zum System gehört und was nicht, setzt das System dabei selbst fest.
Auch die Soziale Arbeit, ob sie will oder nicht, verfährt so. Sie ist gezwungen, zu entscheiden, was dazugehört und was nicht. In der Arbeit mit Familien muss z.B. stets neu bestimmt werden, ob z.B. Nachbarn an Gesprächen teilnehmen sollen oder ob es notwendig erscheint, über die Beziehung zu Großeltern zu sprechen. Anhand welcher Merkmale Soziale Arbeit ihre Komplexitätsreduktionen betreibt, kann sie wiederum selbst beobachten und reflektieren.
Wie verändern Systeme ihre Strukturen?
Die Frage nach Strukturen ist ein zentrales Thema der Sozialen Arbeit. Soziale Arbeit beobachtet ihre eigenen Strukturen, die von KlientInnen und die der Gesellschaft. Auf der Ebene von Interaktion, Organisation bzw. Gesellschaft, kann man erkennen, wie Systeme und Strukturen entstehen und sich verändern.
Systeme sind grundsätzlich auf Strukturen angewiesen. Erst durch Strukturen grenzen Systeme ihre Wahlmöglichkeiten aus der Fülle der Komplexität ein. Es entsteht somit eine relative zeitliche Stabilität. Bis auf weiteres bleiben Strukturen, wie sie sind. Dass die Bildung von Strukturen notwendig ist und Vorteile birgt, wird nun am Beispiel der Organisation Sozialer Arbeit veranschaulicht:
Stellen Sie sich vor, es würde keine Einrichtungen der Sozialen Arbeit geben, die Familien im Fall von Erziehungsschwierigkeiten helfen. Eltern mit derartigen Problemen könnten dann zwar dennoch versuchen, sich Unterstützung zu holen, bei ihren Nachbarn klingeln, oder z. B. bei Freunden anrufen; ob die Eltern allerdings dort bekommen, was sie erhoffen, ist unsicher.
Durch die organisatorische Struktur institutionell helfender Sozialarbeit (in diesem Fall z.B. die der öffentlichen Jugendhilfe) wird nun eine gewisse Sicherheit von Erwartungen gewährleistet. Menschen können so zu recht erwarten, dass ihnen in einer bestimmten Sache, an einem bestimmten Ort, von bestimmten Personen, zu einer bestimmten Zeit geholfen wird. In verschiedensten Situationen regeln Strukturen also den Umgang mit wechselseitigen Erwartungsbildungen. Strukturveränderungen lassen sich daher auch vor dem Hintergrund sich verändernder Erwartungslagen betrachten. Wenn etwa in der Gesellschaft gewachsene soziale Gemeinschaftsformen zerfallen, dann wird Hilfe im Privaten zunehmend unsicher. Rauschenbach (1994) formuliert vor diesem Hintergrund die These, "dass die privat-lebensweltlichen Formen tendenziell abnehmen und durch eigens bereitgestellte, inszenierte soziale und pädagogische Dienste immer mehr ergänzt oder gar ersetzt werden" (ebd.: 94). Soziale Arbeit in der Gesellschaft reagiert also auf neue Formen der Hilfeerwartung durch Strukturbildung und Strukturveränderung. Hinsichtlich der Frage, wie Strukturen der Sozialen Arbeit zu denen der KlientInnen passen, lassen sich Strukturen aber auch kritisch betrachten: Z.B.: Wie steht es mit der Erreichbarkeit von Hilfe, wenn der soziale Krisendienst am Sonntag geschlossen hat?
Zudem blickt Soziale Arbeit seit jeher auch kritisch auf gesellschaftliche Strukturen und wie diese zu den Strukturen der KlientInnen passen. Z. B.: Wie viel räumliche Mobilität mutet die Struktur des Arbeitsmarktes einem mit seiner Familie in München lebenden Vater zu? Wird ihm das Arbeitslosengeld gekürzt, wenn er eine Stelle in Hamburg ablehnt?
Welche Systemtypen lassen sich unterscheiden?
Soziale Arbeit beschäftigt sich mit dem, was sie aus ihren Traditionen, aktuellen Erfordernissen und Zielsetzungen für bedeutsam hält. Eine Einteilung aus der Tradition unterscheidet in Einzelne, Gruppen, Organisationen und gesellschaftlichen Wirklichkeiten. Um die Systembezüge professionellen Handelns etwas übersichtlicher zu ordnen, lassen sich zunächst folgende zwei Systemtypen theoretisch voneinander trennen: Psychische und soziale Systeme. Psychische Systeme ermöglichen Bewusstseinsaktivitäten, soziale Systeme lassen Kommunikation zu.
Ein Gedanke wird zu etwas anderem, wenn man ihn ausspricht. Und: Wie man über ein Gespräch nachdenkt, wird im Bewusstsein entschieden und nicht im Bereich der Kommunikation. Genauso, wie Bewusstseinsaktivitäten nur an Bewusstseinsaktivitäten anschließen, schließen Kommunikationen nur an Kommunikation an. Psychische Systeme werden in der hier vertretenen Theorie der Umwelt sozialer Systeme zugeordnet.
Soziale Systeme lassen sich nun ihrerseits weiter untergliedern in Interaktionssysteme, Organisationssysteme und Gesellschaft. In der Sozialen Arbeit, z.B. der Familienhilfe, bildet sich ein Interaktionssystem während eines Hausbesuchs. Im Organisationssystem eines Jugendamts wird darüber entschieden, ob überhaupt Familienhilfe geleistet wird. In der Gesellschaft, dem umfassendsten System, entstehen fortlaufend kommunikative Wirklichkeiten, die auch für die Soziale Arbeit von großer Bedeutung sind: Erntet Soziale Arbeit, die mit Tätern häuslicher Gewalt arbeitet, gesellschaftliche Anerkennung oder Missbilligung?
Literatur zu diesem Abschnitt
Verwendete Literatur:
- Luhmann, N.: Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie. Frankfurt a. M., 1984
- Luhmann, N.: Die Gesellschaft der Gesellschaft. 2 Bd, Frankfurt a. M., 1997
- Luhmann, N.: Baecker, D.(Hg.): Einführung in die Systemtheorie Niklas Luhmanns. Heidelberg, 2002
- Rauschenbach, T., 1994: Inszenierte Solidarität: Soziale Arbeit in der Risikogesellschaft. In: Beck, U./Beck-Gernsheim, E. (Hrsg.): Riskante Freiheiten, Frankfurt am Main 1994: 89-114
- Simon, F. B.: Unterschiede, die Unterschiede machen. Suhrkamp 1999
- Willke, H.: Systemtheorie I: Grundlagen, UTB. Stuttgart und New York 1996 a, 5. Auflage
Zum Weiterlesen:
- Baecker, D.: Soziale Hilfe als Funktionssystem der Gesellschaft. In: Zeitschrift für Soziologie, Jg. 23, H. 2, 1994, S. 93 - 100
- Eugster, R.: Die Genese des Klienten. Soziale Arbeit als System. Haupt, Bern/ Stuttgart/ Wien, 2000
- Gripp- Hagelstange, H.: Niklas Luhmann. Eine Einführung. München, 1997, 2. Auflage
- Kneer, G./ Nassehi, A.: Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme. München, 1997, 3. Auflage
- Miller, T.: Systemtheorie und Soziale Arbeit. Entwurf einer Handlungstheorie. 2. Auflage, Stuttgart, 2001
- Ritscher W.: Systemische Modelle für die Soziale Arbeit. Heidelberg, 2002