Helfer-Klient-System
Helfer-Klient-System
Das Helfer-Klient-System ist sowohl mit dem Helfer- als auch mit dem Klientensystem verbunden und doch jeweils unabhängig davon. In systemtheoretischer Logik wird von einer strukturellen Kopplung gesprochen. Das heißt, erst eine strukturelle Kopplung lässt ein Helfer-Klient-System entstehen. Diese Kopplung erfolgt vom Prinzip her über einen Konsens, eine Übereinkunft und einen Kontrakt. Sie können als Inhalt einen als problematisch wahrgenommenen Sachverhalt haben, der als veränderungsbedürftig bewertet wird. Es kann nicht von einer Übereinstimmung von Helfersystem und Klientensystem ausgegangen werden, welches Verhalten oder welche Situation als Problemzusammenhang beobachtet wird. Die gegenseitige Abstimmung darüber ist zum Teil bereits Gegenstand sozialarbeiterischen Handelns.
Es ist für die Bearbeitung von Fällen notwendig, dass ein eigenständiges Helfer-Klient-System entsteht. Denn: Erst diese Eigenständigkeit ermöglicht den für die zwischensystemische Vermittlungsarbeit (vgl. Kleve 1999a) notwendigen Schutzraum für Positionswechsel.
Ein Beispiel:
Damit die Stellungnahme eines Sozialarbeiters, der für die Jugendgerichtshilfe tätig ist, dem Richter gegenüber Gewicht erhalten kann, sollte er glaubwürdig und nachvollziehbar aus der Perspektive des Jugendlichen Stellung nehmen können. Um das dafür notwendige Vertrauen des Jugendlichen bekommen zu können, sollte er diesem gegenüber glaubwürdig ein bestimmtes Maß an Autonomie verdeutlichen können (Wenn keine Differenz zwischen Jugendgerichtshelfer und Richter nachvollziehbar ist, wird erster überflüssig). Erst vor diesem Hintergrund kann der oder die VertreterIn der Sozialen Arbeit die erwartete Kommunikation zur Verfügung stellen. Das heißt, dass er unter anderem Resonanzen erzeugt, die es - über den Einzelfall hinaus - sowohl dem Rechtssystem wie der Gesellschaft erlauben, auf soziale Problemstellungen von Jugendlichen zu reagieren.
Zu der Interaktion zwischen Helfern und KlientInnen - mit all ihren Möglichkeiten des Missverstehens - kommen noch weitere Erwartungen an das Helfer-Klient-System, z.B. durch Berufsethik, das eigene Verständnis von Hilfe, rechtliche Normen (z.B. die Vorstellungen über das Kindeswohl am zuständigen Gericht), Trägerstatuten, öffentliche Meinung etc. Indem diese Erwartungen als Kontextvariablen in die Situation eingehen, zur Sprache kommen, kommunikativ in die Interaktionen eingehen, entsteht ein sozialer Zusammenhang, ein soziales Band. Ob diese möglichen Einflussnahmen von den KlientInnen als hilfreich erlebt werden, ist für die Reaktionen des Helfer-Klient-Systems nicht alleine ausschlaggebend (z.B. bei der Inobhutnahme eines Kindes im Falle seiner Gefährdung).
Einige der Fragen, die sich aus dem Beschriebenen ergeben, beziehen sich auf die Autonomie der Sozialen Arbeit bei ihrer Gestaltung des Helfer-Klient-Systems. Weitere Fragestellungen sind:
- Unter welchen Bedingungen reagiert die Soziale Arbeit auf Hilfegesuche mit der Bildung eines Helfer-Klient-Systems?
- Unter welchen Bedingungen wird Soziale Arbeit von sich aus tätig, um ein solches System einzurichten?
- Wie wird aus einem Adressaten ein Klient?
- Wie kommt es zu einem Helfer-Klient-System?
Einige Aspekte zu diesen Fragestellungen sollen hier kurz skizziert werden. Man kann damit anfangen, darüber nachzudenken, dass nicht "die" Soziale Arbeit Klienten als solche beobachtet, sondern SozialarbeiterInnen in Organisationssystemen der Sozialen Arbeit. Diese arbeiten mit spezifischen Konzepten, überlieferten Handlungs- und Deutungsmustern im Rahmen sogenannter Programme. Programme bieten übergreifende Kriterien, nach denen entschieden werden kann, ob die eine oder die andere Seite der Entscheidungsalternative Fall oder Nicht-Fall bezeichnet werden kann. Diese Programme gliedern Arbeitsfelder und Arbeitsbereiche, die jeweiligen Organisationen unterscheiden sich mit ihren Konzepten, Traditionen und Bedingungen.
Beispiel:
Konzepte von Frauenhäusern, die sich auf ein vergleichbares Programm des Helfens beziehen, unterscheiden sich voneinander. Dieses Programm wiederum unterscheidet sich von anderen Programmen, die auf die Problemstellungen im Bereich der Behindertenarbeit reagieren und hier relevant sind. In diesem Rahmen wiederum werden unterschiedliche Problemlagen als für das einzelne Organisationssysteme als relevant und bearbeitbar betrachtet.