Das Klientensystem

Als Klientensystem kann in einer ersten Annäherung das soziale System verstanden werden, welches um den oder die KlientInnen besteht. Daraus folgt, dass der Begriff ‚Klient' nicht mit dem Klientensystem gleichzusetzen ist. Und fast noch wichtiger: Das Klientensystem ist nicht identisch mit dem Familien- oder Verwandtschaftssystem. Auch ist die Lebenswelt der KlientInnen nicht mit dem Klientensystem zu verwechseln, selbst wenn sich zahlreiche Bezüge aufdrängen.

Vor diesem Hintergrund wird ersichtlich, dass bei den Beteiligten Unterschiede darüber bestehen, wer zum Klientensystem gerechnet wird. So kann aus der Perspektive der Sozialen Arbeit z.B. im Einzelfall der Hausarzt dazu gerechnet werden, während die KlientInnen ihn als ‚wenig beteiligten Neutralen' betrachten. Im Laufe der Zusammenarbeit können sich sowohl die Zusammensetzung als auch die Funktionen das Klientensystem ändern.

Versteht man das Klientensystem als ein soziales System im Sinne Luhmanns, besteht es nicht aus Individuen, sondern aus Kommunikation. Somit ist es möglich, auch nicht direkt anwesende Individuen oder Organisationen, wie das Sozial- oder Arbeitsamt, die Ausländerbehörde u.ä. in ihren Auswirkungen auf den Kommunikationszusammenhang als zum Klientensystem gehörend zu berücksichtigen (innerhalb des Klientensystems) oder als dessen Umwelt. In der Interaktion mit KlientInnen wird ein Zusammenhang gebildet, der als Klientensystem beobachtet und einbezogen werden kann. Ob in einem Einzelfall eine Person oder eine Organisation, wie die ARGE, zum Klientensystem gehört oder zu einer bedeutsamen Umwelt gerechnet wird, kann nicht generell festgelegt werden, sondern muss von Fall zu Fall unterschiedlich entschieden werden.

Die ältere systemtheoretische Literatur zu Familienproblemen betonte als neue Sicht die Auffassung, ein Familiensystem habe eine schwierige Situation zu bewältigen und der ‚identifizierte Patient' würde dies mit seinem Verhalten zum Ausdruck bringen. Das ‚Problem' bestände auf der Ebene des Systems und das als krank bezeichnete Verhalten sei ein Ausdruck davon. Welter-Enderlin (1988) hat frühzeitig darauf hingewiesen, dass auch eine andere Entwicklung und Lesart denkbar und sinnvoll ist: um ein problematisches Verhalten herum bildet sich ein System. Beteiligte und Helfer verdichten ihre Aufmerksamkeit und ihre Kommunikation derart, dass sinnvollerweise von einem Problemsystem gesprochen werden kann. Festzuhalten ist:

  • Ein Klientensystem ist nicht gleichzusetzen mit dem Problemsystem.
  • Klientensysteme sind zentrale Quellen für Lösungspotenziale.
  • Problemsysteme haben eine andere Entwicklungsgeschichte als Klientensysteme.
  • Problem- und Klientensysteme können Startbedingungen für Aktivitäten der Sozialen Arbeit schaffen.
  • Über Klientensysteme findet die Soziale Arbeit dauerhaft Zugang zum Problemsystem und zum Lösungssystem.

Von einem Klientensystem kann gesprochen werden, wenn:

  • es einen Beobachter gibt, der die Unterscheidung Klient/Nicht-Klient trifft,
  • sich Unterscheidungen beschreiben lassen zwischen zum Klientensystem gehörend und nicht dazu gehörend,
  • sich selbstreferentielle Interaktionen beobachten lassen (Interaktionen, die sich aufeinander beziehen),
  • sich eine Klientensystemgeschichte beschreiben lässt.