4. Systematisierung von Ethikformen und Ethiktypen: Ethik im Plural oder wie behalte ich den Überblick?

4.2. Folgenorientierte und nicht-folgenorientierte Ethiken


Als folgenorientiert werden Ethiken bezeichnet, die zu zeigen versuchen, dass eine Handlung deshalb als gut (oder richtig) einzuschätzen ist, weil ihre Folgen gut (oder richtig bzw. wünschenswert) sind. Dies Ethiktypen nennt man deshalb auch Konsequenzialismus (von lat. consequor, d.h. unmittelbar nachfolgen, nachgehen, erfolgen) oder Utilitarismus (von lat. utor, d.h. Nutzen, gebrauchen). 

Eine folgenorientierte Ethik, die auch, aber nicht ausschließlich, von den Folgen her argumentiert, nennt man teleologische Ethik, (von gr. Telos, Ziel).

Die teleologische Ethik (Verantwortungsethik) argumentiert mit wünschenswerten Folgen, wobei zur Entscheidung darüber, welche das jeweils sind, auf Werte, Normen, Prinzipien, Pflichten, aber auch anthropologische Vorstellungen, auf Theorien vom guten Leben und auf Erfahrung zurückgegriffen werden kann.

Die Verantwortung, darüber zu entscheiden, welche Folge wünschenswert ist, wird hier dem moralischen Subjekt als autonomer Person zugeschrieben. Diese trägt zugleich die Verantwortung für die Normen, Prinzipien und Werte etc., auf deren Basis sie entscheidet, daher auch der Bezeichnung der Verantwortungsethik als autonomer Moral.

Nicht-folgenorientiert argumentieren zunächst diejenigen, die sich zur ethischen Entscheidungsfindung primär an den moralischen Pflichten orientieren. Eine Handlung (oder Entscheidung) ist dann gut und richtig, wenn das entscheidende Subjekt sich an den jeweils in Frage kommenden Pflichten orientiert und sie befolgt. Dieser Ethiktyp wird Pflichtenethik genannt oder Deontologie (von gr. Deon, Pflicht). So war beispielsweise das traditionelle Ethos der Pflegeberufe deutlich mehr auf Pflichterfüllung ausgerichtet, als auf das eigenständige Abwägen von Folgen. Diese Denkweise lässt sich heute zum Beispiel dann noch beobachten, wenn die „Pflicht“ seine Arbeit innerhalb der eigenen Schicht komplett erledigt zu haben (alle Patienten sind „fertig gemacht“!?) höher eingeschätzt wird, als die Folgen für das Wohlbefinden der Patienten oder Bewohner einer Einrichtung. Die Beiträge einer kritisch reflektierten Pflichtenethik für die Ethik der Gesundheits- und Pflegeberufe sollten dennoch nicht unterschätzt werden. 

Häufige im Sinne angewandter Ethik herangezogene normative Theorien sind für den Gesundheitsbereich die folgenden:

- die Prinzipienethik als Vier-Prinzipienethik nach Beauchamp und Childress
- die Careethik insbesondere als Inspirationsquelle der Pflegeethik und
- die Tugendethik, die für das Management vermehrt rezipiert wird sowie
- kasuistische Ansätze, die durch ihren deutlichen Praxisbezug für Lehrende und Praktiker attraktiv erscheint.

Diese Ethiken werden wir in Lerneinheit 3 und Lerneinheit 4 genauer untersuchen.