Inklusion / Exklusion

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Kurs: 1.2B/VHB "Einführung in systemtheoretische Grundlagen" - Musterkurs (Kirchner)
Buch: Inklusion / Exklusion
Gedruckt von: Gast
Datum: Freitag, 22. November 2024, 05:01

Beschreibung

Struktur noch umarbeiten, chaotisch!

Einführung

Da die Gesellschaft sich über Sachthemen gliedert (Wirtschaft, Sport, Politik, Religion, Schule, Wissenschaft, Soziale Arbeit usw.) kann sie Personen keinen festen Platz mehr in der Gesellschaft zuteilen (Adliger, Bürger, Bauer, Bettler). Die vorrangige Ordnung von gesellschaftlichen Kooperationsbeziehungen geschieht über Themen und Funktionen und nicht über Personen. Während in der Vormoderne die Individualität des Einzelnen durch die Zuordnung zu einem Stand oder Segment der Gesellschaft in hohem Maße bestimmt war, ist dieser Mechanismus in der Moderne weitgehend außer Kraft gesetzt. In der modernen Gesellschaft tritt der einzelne Mensch zu den Teilsystemen der Gesellschaft in eine jeweils besondere Beziehung und kann sich keinem Teilsystem als ganze Person zuordnen. Das hat weitereichende Folgen für die Berücksichtigung von Personen in den gesellschaftlichen Teilsystemen.

Die Soziale Arbeit ist Teil dieses gesellschaftlichen Ausdifferenzierungsprozesses.

Im Folgenden dieses Buches wird Ihnen geboten:

  • Eine kurze Einführung in die Debatte um Inklusion und Exklusion
  • als Praxisanregung ein Lebenslauf unter dem Aspekt von Inklusion und Exklusion
  • eine Textsammlung zur Bedeutung der Begriffe und der Diskussion in der Sozialen Arbeit

Systemische Perspektiven für die Soziale Arbeit

1. Begriffsklärung

Inklusion ist zu einem umgangssprachlichen Begriff geworden, der für „dazu gehören“ steht. In den Sozialwissenschaften werden über Inklusion und Exklusion gesellschaftliche Zugänge und Ausschlüsse von Personen, Gruppen oder Regionen thematisiert. Mit Inklusion/Exklusion werden sowohl ein Prozess (eine Person wird inkludiert) wie ein Zustand beschrieben (eine Personengruppe ist exkludiert).

Inklusion ist, u.a. durch die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, zu einem sozialpolitisch positivem bewertetem Ziel geworden. Das Begriffspaar Inklusion/Exklusion macht auf eine in ‚Innen’ und ‚Außen’ (Zentrum und Peripherie) gespaltene Gesellschaft aufmerksam und bezieht sich auf das Risiko, dass ein Teil der Bevölkerung von der Mehrheitsgesellschaft diskriminiert wird.

2. Systemtheoretische Interpretation

Die systemtheoretische Interpretation im Anschluss an Luhmann richtet mit dem Begriff Inklusion das Verständnis von gesellschaftlichem Zusammenhalt neu aus und beschreibt damit die Form in der Funktionssysteme Personen thematisieren und kommunikativ einbeziehen. Mit Exklusion wird zum einen die logisch andere Seite von Inklusion und zum anderen ein sozialer Ausschluss (ein Prozess an dem mehrer beteiligt sein können) beschreiben. Das Problem des gesellschaftlichen Zusammenhalts wird interpretiert als die Frage, …„ wie Menschen temporär an den Kommunikationszusammenhang gesellschaftlicher Teilsysteme gekoppelt werden oder wie – im Falle von Exklusion – eine solche Kopplung ausbleibt“ (Nassehi 1999, 133). Das Schema Inklusion/Exklusion kann an allen gesellschaftlichen Funktionssystemen beobachtet werden. Allgemein kann man Inklusion als die Teilhabe von Personen an einer bestimmten Kommunikation verstehen. In diesem Beitrag wird Inklusion als spezifische Form der Steuerung von Grenzen sozialer Systeme begriffen, beispielsweise auch von Familien, Peer-groups  und Nachbarschaftssystemen. Als Steuerung soll die Definition und die Umsetzung der Teilhabebedingungen durch die Organisation oder das soziale System verstanden werden. Inklusion im umfassenden Sinn soll die Relevanz von Menschen aus der Perspektive von sozialen Systemen bezeichnen.

Mit dem Inklusionsbegriff wird die gesellschaftliche Integration nicht mehr über die Gesamtpersönlichkeit des Menschen, vorgängige Zugehörigkeiten oder seine Zustimmung zu sozialen Verhaltensmustern bestimmt sondern über zeitlich begrenzte Teilhabemöglichkeiten an gesellschaftlichen Funktionsbereichen und ihren Organisationen - vermittelt über Kommunikation. „Das Prinzip der Inklusion ersetzt jene Solidarität, die darauf beruht, dass man einer und nur einer Gruppe angehörte.“ (Luhmann 1980, 31). Da der Gesamtbevölkerung der Zugang zu den Funktionssystemen der Gesellschaft prinzipiell offen steht, wird Generalinklusion zur gesellschaftlichen Form und Exklusion zur Generalform der Organisationen. So können Inklusion und Exklusion praktiziert werden: Die Verantwortung für die Zugehörigkeit wird disponibel und auf den einzelnen Menschen zurechenbar.  Über ihre Organisationen können Funktionssysteme ihre Offenheit für alle regulieren und durch Teilhaberegeln und Rollenfilter Zugangshürden aufbauen.

Mit der Form Inklusion/Exklusion decken Organisationen die personenbezogenen Folgen ihrer Unterscheidungen ab und definieren sie als außerhalb ihrer Zuständigkeiten. In dem Organisationen über die Möglichkeiten verfügen Personen zu entlassen, Jugendliche auszubilden oder nicht, können sie sich von den Konsequenzen ihrer Entscheidungen abkoppeln (z.B. psychische Folgen von Entlassungen und Arbeitslosigkeit, junge Männer oder Frauen ziehen aus einer Gegend aufgrund von Arbeitslosigkeit weg). Diese Konzentration auf die spezifischen Logiken und Erfordernisse des Funktionsbereiches erbringt eine besondere Steigerung der Leistungen von Organisationen (und der Gewinne). Die Konsequenzen der Unterscheidung Inklusion/Exklusion werden für die Organisation (das eigene Funktionssystem) nicht bzw. nur hochselektiv beachtet. Dies gilt insbesondere für die Effekte anderer Funktionssysteme. Die durch Exklusion entstehende Ungleichheit von Personen, Gruppen oder Regionen wird von den einzelnen Funktionssystemen nicht wahrgenommen: Erhebliche Ungleichslagen, Armut,  Exklusionsdrifte sind die Folgen -  aber für die Organisationen zunächst unsichtbar und ohne Zwang zu verantwortlichem Handeln. Das Funktionssystem Soziale Arbeit ergibt sich aus der Notwendigkeit der Beobachtung, Beschreibung und Adressierbarkeit dieser Prozesse. Die Organisationen der Funktionssysteme verlagern die Anpassung an die Inklusionsregeln auf die Individuen und erhöhen indirekt die Bedeutung der sozialen Kompetenzen und Handlungsmuster. Die gesellschaftliche Dynamik hat zur Folge, dass Inklusionen in formale Strukturen als fragil und riskant zu begreifen sind. Trotz des generellen Inklusionsversprechens hängen die konkreten Zugänge in gesteigertem Maße von den individuellen Leistungen der Personen ab. Die Angewiesenheit auf Inklusionen in soziale Nahräume, Netze und Milieus enthält einen stummen Zwang zur sozialen Disziplinierung sowie das permanente Risiko sozial ausgeschlossen zu werden.

3. Praktische Überlegungen

Für Adressaten ist es hilfreich zu wissen, was von ihnen verlangt wird, um für eine Organisation relevant zu sein, die Hilfe anbietet. Über Zugänge wird prinzipiell zweimal entschieden: Zunächst durch ein Programm, präzisiert in Konzepten sowie der Ausrichtung an Adressatengruppen, und in der Umsetzung durch die Zuordnung des Einzelfalls als zum Programm passend. Soziale Konflikte, Armutsverhältnisse, psychische Belastungen können für Organisationen leichter über Personen als relevant identifiziert werden. Soziale Beziehungen sind schwerer zu erfassen, Personen können gezählt, verantwortlich, als Schicksale emotionalisiert werden. Sie eignen sich als Einzelfälle. Die Perspektive auf Personen hat zur Folge, dass soziale Situationen erst über Personen und Kriterien aufgelöst werden, um dann wieder über die Beobachtung von Inklusions-/Exklusionsprozesse rekonstruiert und interventionsbezogen aufbereitet zu werden. Das sozialpolitische Ziel von Inklusion mündet in der Forderung nach Ausgestaltung von inklusionsfördernden Gemeinwesen und entsprechend sensiblen Organisationen (z. B. beim Index für Inklusion für Kindergärten oder Schulen).

Über die Beschreibung der individuellen Kopplungsgeschichte an die Familie, das soziale Umfeld und deren Organisationen lassen sich Personen  in ihrer Inklusion/-Exklusionsindividualität nachzeichnen. Vor dem Hintergrund des „Nicht-Dazugehörens“ sind die individuellen Leistungen zu erkennen, wie Menschen sich ihre Welt aus Zugehörigkeiten geschaffen haben (Exklusion ist die Generalform der modernen Gesellschaft). Die systemische Praxis kann als Beitrag zu einem Seitenwechsel der Form von Exklusion zu Inklusion und von Inklusion zu Exklusion beschrieben werden. Das heißt: Sie schließt als fachlich positiv bewertetes Handeln sowohl an Inklusion als auch an Exklusion an, z. B. beim Zugang zu Organisationen oder zu Nachbarschaftssystem und beim Auflösen sozialer Gewaltverhältnisse oder der Bindung an vergangene Beziehungen. Bei einem gewollten Prozess der Exklusion wird Inklusion zum mitgeführten Außenwert (und umgekehrt). Inklusions- und Exklusionsmanagement gehören zusammen und stellen keinen Gegensatz dar (auch Exklusionsprozesse verbinden). Inklusionen und Exklusionen sind zeitgleich als relevant und parallel zu verschiedenen sozialen Systemen und Organisationen zu beobachten. Aus der Verschiebung der Aufmerksamkeit, z.B für Inklusionsprozesse an Stelle der Trauerarbeit oder der Hoffnung auf Ausgleich von Verletzungen, ergeben sich soziale Freiräume und Autonomie. Die Steigerung der Handlungsmöglichkeiten der Klienten kann durch die Reflexion der Inklusions/Exklusionsgeschichte und die Begleitung von Übergängen erreicht werden. Werden Inklusionen/Exklusionen als soziale Verhältnisse im Dialog mit den Klienten - unabhängig von Verhaltensweisen, die als „Eintrittskarten“ in die Organisation galten – beeinflusst, verändern sich problematische Kontexte und ermöglichen sozial passendere Lebensweisen.

Literatur zur Vertiefung:

Booth, T./Ainscow, M. (2003): Index für Inklusion, übers., für deutschsprachige Verhältnisse bearb. und hrsg. von Boban, I./Hinz, A., Halle-Wittenberg

Luhmann, N. (1980): Gesellschaftsstruktur und Semantik. Studien zur Wissenssoziologie der modernen Gesellschaft, Band 1, Frankfurt a.M.

Nassehi, A. (1999): Inklusionen. Organisationssoziologische Ergänzungen der Inklusions-/Exklusionstheorie (mit Gerd Nollmann), in: Differenzierungsfolgen, Opladen/Wiesbaden, S. 133-150

Hinweis: Der Text ist eine überarbeitete Fassung eines Beitrages für das Buch 101 Begriffe der Systemtheorie (Carl Auer Verlag 2011).

4. Soziale Exklusion und soziale Inklusion als ein europäisches Konzept

Sehen Sie sich dazu folgendes Dokument an:

5. Hoffnungen und Befürchtungen

Die Debatte um Inklusion und Exklusion bringt heftige Auseinandersetzungen hervor. 
Zum einen werden damit Hoffnungen auf neue verbesserte Leistungen verbunden zum anderen Befürchtungen vorgetragen, dass damit soziale Trennungen verfestigt werden.
Mit den folgenden Texten werden die beiden Positionen anschaulich.

Die Gegenüberstellung von Hinz (2002, 359) zeigt für den Schulbereich den positiven Erwartungshorizont.

Praxis der Integration

Praxis der Inklusion

  • Eingliederung von Kindern mit bestimmten Bedarfen in die allgemeine Schule
  • Differenziertes System je nach Schädigung
  • Zwei-Gruppen-Theorie (behindert/nichtbehindert)
  • Aufnahme von behinderten Kindern
  • Individuumszentrierter Ansatz
  • Fixierung auf die institutionelle Ebene
  • Ressourcen für Kinder mit Etikettierung
  • Spezielle Förderung für behinderte Kinder
  • Individuelle Curricula für einzelne
  • Förderpläne für behinderte Kinder
  • Anliegen und Auftrag der Sonderpädagogik und Sonderpädagogen
  • Sonderpädagogen als Unterstützung für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf
  • Ausweitung von Sonderpädagogik in die Schulpädagogik hinein
  • Kombination von (unveränderter) Schulund Sonderpädagogik
  • Kontrolle durch Expertinnen
  • Leben und Lernen für alle Kinder in der allgemeinen Schule
  • Umfassendes System für alle
  • Theorie einer heterogenen Gruppe (viele Minderheiten und Mehrheiten)
  • Veränderung des Selbstverständnisses der Schule
  • Systemischer Ansatz
  • Beachtung der emotionalen, sozialen und unterrichtlichen Ebenen
  • Ressourcen für Systeme (Schule)
  • Gemeinsames und individuelles Lernen für alle
  • Ein individualisiertes Curriculum für alle
  • Gemeinsame Reflexion und Planung aller Beteiligter
  • Anliegen und Auftrag der Schulpädagogik und Schulpädagogen
  • Sonderpädagogen als Unterstützung für Klassenlehrer, Klassen und Schulen
  • Veränderung von Sonderpädagogik und Schulpädagogik
  • Synthese von (veränderter) Schul- und Sonderpädagogik
  • Kollegiales Problemlösen im Team

Die Risiken des Exklusionsbegriffes

  • Das Begriffspaar spaltet in eine Kerngesellschaft und einen Rand.
  • Die Übergänge und Zonen der Gefährdung werden eher unsichtbar als sichtbar.
  • Die Ursachen von Armut und Ausgrenzung werden mit den Betroffenen thematisch an den Rand verlagert.
  • Soziale Ungleichheiten innerhalb der Inkludierten und der Exkludierten werden vernachlässigt.
  • Formen des Drinnen und doch Draußen (Armut trotz Arbeit) geraten aus dem Blick.
  • Irgendeine Form des Drinnen lässt für die meisten Menschen immer finden.
  • Inklusion wird mit dem Anschluss an die Erwerbsarbeit gleichgesetzt.
  • Soziale Schutzrechte können als Auschlussursachen beschrieben werden, weil eine einfache Gegenüberstellung möglich ist.

Inklusion und Lebenslauf - eine Praxisanregung

Anhand des folgenden Lebensverlaufs sollen Ereignisse mit Inklusions- bzw. Exklusionspotential dargestellt werden. Dabei ist grundsätzlich zu fragen, ob Frauen und Männer in unterschiedlicher Weise exklusionsgefährdet sind. Zu den jeweiligen Ereignissen werden Ihnen neben den thematischen Fragen auch solche zur Perspektive der Sozialen Arbeit und Ihrer persönlichen Erfahrungen geboten.

Eine Zusammenstellung von Zitaten von A. Scherr fasst die systemische Perspektive zusammen:

„Exklusionsindividualität ist ein Strukturmerkmal, das das Verhältnis Individuum - Gesellschaft in der Moderne charakterisiert. Die Unterscheidung Exklusion/Inklusion enthält also auch noch keine spezifische Krisendiagnose in sich, aus der eine Antwort auf die Frage nach den gesellschaftsstrukturellen Ursachen von Hilfsbedürftigkeit unmittelbar abgeleitet werden kann.“ (S. 62)
„Individuen sind unter Bedingungen der Exklusionsindividualität darauf verwiesen, sich in der notwendigen Umwelt differenzierter Sozialsysteme zu reproduzieren und sich in dem Maße an den Teilnahmebedingungen dieser auszurichten, wie dies für ihre Lebensführung unverzichtbar ist.“ (S. 63)
„Für eine Theorie der Sozialen Arbeit ist es vor diesem Hintergrund erforderlich zu klären, wie sich Abhängigkeiten und Unabhängigkeit der individuellen Lebensführung von der Teilnahme an den gesellschaftlichen Teilsystemen herstellen und in welchen Fällen bzw. unter welchen Bedingungen teilsystemische Inklusionen und Exklusionen zu einer solchen Hilfsbedürftigkeit führen, die Interventionen der Sozialen Arbeit erforderlich werden lässt.“ (S. 64)

aus: Scherr, A. (2004): Exklusionsindividualität, Lebensführung und Soziale Arbeit. In: Merten, R./Scherr, A. (Hrsg.): Inklusion und Exklusion in der Sozialen Arbeit. Wiesbaden, VS Verlag, S. 55-74.

Lebensstrahl

Geburt

Die Geburt des Menschen kann als Beobachtungszeitpunkt für den Beginn sozialer Integration gewählt werden. Dieser nimmt seinen Anfang in der Familie. Das Baby wird in eine Familie und damit bereits in eine bestimmte Gesellschaftsschicht und ein Milieu hineingeboren. Folglich findet ein Prozess sozialer Inklusion und Exklusion statt. Kinder, welche einer Familie in einem sozialen Brennpunkt angehören, erfahren von der Geburt an die Phänomene der Ausgrenzung (vgl. HOHM 2003: 16). Für Kinder sehr wohlhabender Familien gilt das Gleiche.

Eintritt in den Kindergarten/in die Schule

Der Eintritt in den Kindergarten und der Übergang in die Schule stellen Meilensteine im Lebensprozess eines Kindes dar. Hierbei ist es besonders wichtig, dass Kinder durch Eltern unterstützt werden. Die Kinder müssen sozial aufgeschlossen und offen sein, um Kontakte knüpfen zu können und sich zu integrieren.

Bei Kindern, die bereits zu Beginn ihres Lebens in schwierigen Situationen aufwachsen, können aus Selbst- und Fremdwahrnehmung soziale Differenzen zu sozialen Distanzen werden. Diese können sich verfestigen.

Schulwechsel

Der Schulwechsel stellt im Idealfall einen normalen Prozess im Leben eines Schülers dar. Der Schulwechsel gelingt eher, wenn die familiären Beziehungen diesen Wechsel mit vollziehen. Aus verschiedensten Gründen gelingt dies in einigen Familien nicht ohne Schwierigkeiten. Bei einem Übertritt eines Schülers aufgrund außerordentlicher Vorkommnisse sind Lehrer in besonderem Maß dafür verantwortlich, die Aufnahme des Kindes durch gezielte Integrationsmaßnahmen zu unterstützen (intensiveres Kennenlernen und Zusammenführen mit Klassenkameraden, verstärkte Gruppenarbeit, Integration in außerschulische Aktivitäten,…).

Einen solchen Sonderfall stellt beispielsweise der Umzug der Familie dar, so dass ein Schulwechsel notwendig wird.

Schulabschluss und Beginn einer Arbeitstätigkeit, der Ausbildung, des Studiums, etc.

Der Abschluss der Schulausbildung stellt einen weiteren Meilenstein im Leben eines Menschen dar, denn der Verlauf des weiteren Lebens wird maßgeblich zu dieser Zeit bestimmt. Die Entscheidung für eine Berufstätigkeit, eine Ausbildung oder ein Studium weist die Richtung des Berufslebens und ermöglicht erstmals finanzielle Unabhängigkeit von den Eltern.

Sobald ein Jugendlicher eine Arbeitsstelle, einen Ausbildungs- oder Studienplatz gefunden hat, stellen sich Inklusions- und Exklusionsprobleme wie bei der Einschulung bzw. dem Schulwechsel. Die Zuschreibung für die Verantwortlichkeit ist neu. Finden junge Erwachsene keinen Ausbildungsplatz, stellen sich wieder andere Fragen der Inklusion und Exklusion. Diese unterscheiden sich erheblich zwischen Frauen und Männern. Weiterbildungsprojekte der Agentur für Arbeit, die den Jugendlichen die Möglichkeit zu verschiedenen Kursen, wie Computerkurse oder Bewerbungstraining geben, stellen eine Inklusionsbemühung des Sozialstaates dar.

Eintritt ins Berufsleben und Einkommen

Wenn man davon ausgeht, dass der Eintritt ins Berufsleben gelingt und ein passender Arbeitsplatz gefunden wird, könnten passende Voraussetzungen für Inklusion umgesetzt werden. Weitere Inklusionen können die Folge sein. Für die meisten Menschen stellt in dieser Hinsicht ein angemessenes Grundeinkommen die Voraussetzung dar. Dennoch gibt es in der heutigen Zeit vermehrt Berufsgruppen, in denen das Einkommen aus einem Vollzeitjob nicht mehr ausreicht, um sich und eine Familie zu ernähren. Doch auch der Arbeitsplatz stellt eine Exklusionsgefahr dar, da nicht jeder neue Kollege problemlos integriert und aufgenommen wird. Aufgrund von Gruppenverhalten oder persönlicher Aspekte des neuen Mitarbeiters kann es zu Schwierigkeiten kommen.

Der Eintritt ins Berufsleben führt für die Geschlechter zu unterschiedlichen Erfahrungen und Entwicklungspfaden.

Hochzeit und Umzug

Die Hochzeit an sich bietet für beide Partner Inklusions- und Exklusionsprozesse aus Ihrer jeweiligen Herkunftsfamilie. Wird der jeweilige Partner gut in die Familie aufgenommen und akzeptiert, so kann eine erfolgreiche Inklusion und damit Integration in die Familie verbunden werden.

Dennoch gibt es immer wieder den Fall, dass dies eben nicht so verläuft. In manchen Familien wird der Schwiegersohn bzw. die Schwiegertochter nicht akzeptiert und folglich exkludiert. Dies kann aber sogar zu einem Verstoß des eigenen Kindes führen, da es teilweise vor die Wahl gestellt wird: Familie oder Partner.

Doch auch der mit der Hochzeit zum Teil verbundene Umzug weist großes Inklusions- und Exklusionspotential auf. Ein Partner oder sogar beide kommen in ein völlig neues Umfeld ohne soziale Kontakte. Der Arbeitsplatz, Nachbarn oder flüchtige Bekannte können dann dabei helfen, inkludiert zu werden. Dies hängt meist aber maßgeblich von den Personen ab und eine aktive Integration ist unbedingt notwendig. Es wird also deutlich, dass auch beim Umzug Inklusion oder Exklusion thematisiert werden muss.

Geburt eigener Kinder

Die Geburt eigener Kinder stellt ein wichtiges Ereignis für ein Paar dar.

Durch das Kind ist es, zumindest in der ersten Zeit, nicht mehr für beide Partner möglich, arbeiten zu gehen. Aus diesem Grund muss ein Elternteil zu Hause bleiben und sich um Kind und Haushalt kümmern. Dieser Aspekt stellt teilweise bereits ein Problem dar, da kaum noch Kontakt zu Kollegen besteht, Treffen mit Freunden ebenfalls seltener werden und die (gewohnte) berufliche Herausforderung fehlt. Mütter oder Väter fühlen sich ausgeschlossen und ziehen sich möglicherweise zurück, so dass Kontakte zum sozialen Umfeld seltener werden. Nicht selten kommt es in dieser Lebensphase zu partnerschaftlichen Problemen.

Berufliche Karriere, Beförderung

Berufliche Karriere und Beförderung beinhalten, dass noch mehr Zeit am Arbeitsplatz verbracht werden muss. Diese Zeit fehlt dann allerdings häufig im Privatleben, was dazu führt, dass Herkunftsfamilie, Freunde und das soziale Umfeld im Allgemeinen vernachlässigt werden. Diese Situation kann sich riskant verschärfen, wenn sie längerfristig abläuft. Somit kann es dazu kommen, dass sich Freunde abwenden, die Beziehung zu Bruch geht und die Familie unzufrieden wird.

Der Inklusionsgewinn einer Karriere wird für Männer und Frauen unterschiedlich zu realisieren sein. Der Inklusionsgewinn von Frauenkarrieren irritiert die Vorstellungen von manchen Männern und Familien. Für viele Paare mit der Möglichkeit einer jeweils eigenständigen Karriere liegen keine sozialen Erfahrungen mit den wahrscheinlichen Inklusions- und Exklusionsrisiken vor.

Berufliche Karriere, Beförderung

Berufliche Karriere und Beförderung beinhalten, dass noch mehr Zeit am Arbeitsplatz verbracht werden muss. Diese Zeit fehlt dann allerdings häufig im Privatleben, was dazu führt, dass Herkunftsfamilie, Freunde und das soziale Umfeld im Allgemeinen vernachlässigt werden. Diese Situation kann sich riskant verschärfen, wenn sie längerfristig abläuft. Somit kann es dazu kommen, dass sich Freunde abwenden, die Beziehung zu Bruch geht und die Familie unzufrieden wird.

Der Inklusionsgewinn einer Karriere wird für Männer und Frauen unterschiedlich zu realisieren sein. Der Inklusionsgewinn von Frauenkarrieren irritiert die Vorstellungen von manchen Männern und Familien. Für viele Paare mit der Möglichkeit einer jeweils eigenständigen Karriere liegen keine sozialen Erfahrungen mit den wahrscheinlichen Inklusions- und Exklusionsrisiken vor.

Scheidung

Ein Meilenstein im Leben eines Menschen, der in den letzten Jahrzehnten immer häufiger wird, ist die Scheidung. Beide Partner gehen ihre eigenen Wege, lernen möglicherweise einen neuen Lebenspartner kennen oder haben dies bereits getan. Es findet also eine Reihe von Inklusions- und Exklusionsprozesse in ein neues soziales Umfeld statt.

Besonders kritisch ist der Prozess einer Scheidung für Kinder: neue soziale Zugehörigkeiten müssen erlebt, erprobt und gefestigt werden.

Schicksalsschläge und familiäre Probleme

Schicksalsschläge in der Familie oder dem Freundeskreis können schnell zu sozialen Spannungen mit Exklusionsrisiken führen. Menschen haben zwar unterschiedliche Bewältigungstechniken, um mit solchen Problemen umzugehen, trotzdem kann professionelle Hilfe hilfreich oder nötig sein.

Eine Person, die sich aufgrund von familiären Problemen oder Schicksalsschlägen eher abkapselt und nicht über die Probleme sprechen möchte, kann schnell in eine Art der unbeabsichtigten Exklusion geraten, da Freunde und Familienmitglieder aufgrund des Rückzugs das Gefühl bekommen, ausgestoßen zu werden und die Person daher meiden. Möglicherweise ist neben dem Exklusionsrisiko parallel ein Inklusionsprozess/-risiko zu bewältigen.

Gesundheitliche, berufliche und soziale Stressfaktoren können sich wechselseitig verstärken und überlagern. In ihrer Folge sind Prozesse sogenannter Exklusionsdrifts zu beobachten.

Krankheit

Besonders hohe Exklusionsgefahr besteht immer dann, wenn soziale Kontakte nicht mehr so intensiv gepflegt werden können. Krankheit ist ein anerkannter Kündigungsgrund. Gerade bei älteren Menschen (natürlich auch bei jungen Betroffenen), stellt eine andauernde Krankheit ein starkes Risiko dar. Das Verlassen der Wohnung, das Zurücklegen weiterer Strecken oder starke physische bzw. psychische Angeschlagenheit fallen dann zunehmend schwerer. Die Folge ist, dass gemeinsame Treffen mit Bekannten und Freunden immer seltener werden.

Alter

Alter steht in direkter Verbindung mit Gebrechlichkeit und Einschränkungen aufgrund von Krankheiten oder Beweglichkeit. Aus diesem Grund kann es hierbei, wie bereits beim Stadium von Krankheiten beschrieben, häufig dazu kommen, dass Treffen mit Freunden nur noch in der eigenen Wohnung möglich sind oder dass Hilfe beim Putzen, Einkaufen und dem Alltag nötig werden.

Wann und ob dieses Stadium eintritt, ist individuell unterschiedlich. Dennoch kann es dazu führen, dass die Senioren Angst haben, anderen zur Last zu fallen oder aber körperlich nicht mehr in der Lage sind, regelmäßige Unternehmungen mit Freunden einzugehen. Aus diesem Grund kann es zu Exklusion in verschiedenen sozialen Systemen kommen. Besonders gravierend stellt sich dieser Zustand häufig bei alleine lebenden Senioren ohne Ehepartner oder Lebenspartner dar.

Tod des Partners

Ein besonders kritischer Lebensabschnitt steht für Menschen an, deren Lebenspartner stirbt. Dieser Schicksalsschlag kann dazu führen, dass sich die Person vollständig vom sozialen Umfeld abkapselt, um in Ruhe zu trauern. Dieser Prozess kann allerdings unterschiedlich lange andauern. Die gewollte Exklusion am Anfang, in der Freunde und Familie meist versuchen, den Kontakt herzustellen und Hilfe anbieten, wird allerdings irgendwann von einer (nicht mehr gewollten) Exklusion gefolgt, die vom sozialen Umfeld akzeptiert und indirekt gefördert wird. Freunde und Familie werden die Kontaktversuche irgendwann aufgeben, wenn die Phase der Trauer zu lange bzw. zu intensiv verläuft. Die trauernde Person schafft es dann irgendwann auch nicht mehr, den Kontakt wieder selbst herzustellen, was zu einer andauernden und nur noch schwer zu durchbrechenden Exklusion führt.

4 Textbeiträge zur Diskussion

Die Begriffe Inklusion und Exklusion sind im politischen Geschäft allgegenwärtig. Sie werden auch dazu genutzt, den Handlungsraum der Sozialen Arbeit zu bestimmen.

Um Sie auf diese Debatte vorzubereiten und Ihnen zu ermöglichen sich selber aktiv einzuschalten, haben wir diese Textsammlung aufgenommen.

1. Der Text von Roland Merten und Albert Scherr geht auf die Anlässe für die Karriere dieses Begriffspaares ein und erläutert warum die sie so zentral sind: Es geht um soziale Ungleichheiten und ob die Systemtheorie sie angemessen erfassen kann.

2. Wie ein Lebenslauf aus der Perspektive von Inklusion und Exklusion beschrieben werden kann, ist das Thema von Albert Scherr. Der Textausschnitt zeigt, wie die Soziale Arbeit von den sozialen Problemen der Gesellschaft profitiert und verweist auf die notwendige Theoriearbeit.

3. Heiko Kleve stellt die traditionellen Begriffe Integration/Desintegration dem neuen Begriffspaar Integration/Exklusion gegenüber. Er weist ihnen unterschiedliche Erklärungsbereiche zu und ermöglicht so der Sozialen Arbeit mit einem „doppelten Blick“ auf die gesellschaftliche Entwicklung und den eigenen Aufgabenbereich zu schauen.

4. Speziell aus der Sicht der Sozialen Arbeit ist der Text von Wilfried Hosemann verfasst.
Hier werden die Begriffe erst theoretisch eingeordnet bevor sie dann auf der Ebene der Organisation und der Interaktion perspektivisch für die Soziale Arbeit genutzt werden.

Zum systematischen Stellenwert eines Duals innerhalb des Projekts „Systemtheorie Sozialer Arbeit“

Roland Merten / Albert Scherr

Der Text ist publiziert in: Roland Merten, Albert Scherr, Inklusion und Exklusion in der Sozialen Arbeit, VS Verlag für Sozialwissenschaften/GWV Fachverlage Gmbh, Wiesbaden 2004

 Es sind gleich mehrere Bewegungen bzw. Entwicklungslinien, die in den letzten Jah-ren dazu beigetragen haben, dass die Frage nach den Bedingungen und Grenzen gesellschaftlicher Teilhabe wieder ins Zentrum der sozialwissenschaftlichen Auf-merksamkeit geraten ist. Bis weit in die 80er-Jahre […] konnte noch wie selbstver-ständlich davon ausgegangen werden, dass die […] Wirtschaft die sozialstaatliche Absicherung prekärer Lebenssituationen mittragen werde, jedenfalls in den entwi-ckelten (post-)industriellen Gesellschaften Europas und Nordamerikas. Demgegen-über konnte es jedoch spätestens zu Beginn der 90er-Jahre aufmerksamen Beobachtern nicht vorborgen bleiben, dass die Binnendynamik der ökonomisch-technischen Entwicklung – in Verbindung mit der sich verändernden internationalen Wirtschaftslage – die Voraussetzungen des sozial- bzw. wohlfahrtsstaatlichen Arran-gements auch in den westlichen Industrienationen problematisch werden ließ. Seit Mitte der 1980er-Jahre ist geradezu eine Konjunktur von Krisendiagnosen zu ver-zeichnen, die auf Anzeichen einer Strukturkrise eines Gesellschaftsmodells hinwei-sen, das auf Produktivitätsfortschritten, der Erschließung neuer Märkte, Teilnahme auch der abhängig Beschäftigten an steigendem Wohlstand sowie Expansion des Wohlfahrtsstaates gegründet ist (vgl. hierzu exemplarisch etwa Lutz 1984; Habermas 1985; Hirsch/Roth 1986; Dahrendorf 1992). […]   Strukturelle Massenarbeitslosigkeit führt in Verbindung mit der Erosion des Nor-malarbeitsverhältnisses, der Verlängerung von Ausbildungszeiten und dem zuneh-menden Einbezug von Frauen in die Erwerbsarbeit dazu, dass der Bedarf an sozialstaatlichen Leistungen steigt. Zugleich wird es schwieriger, die mit diesen sozi-alstaatlichen Leistungen verbundenen Ausgaben durch steigende Steuereinnahmen zu finanzieren. Die fortschreitende Globalisierung von Produktionsprozessen, Märkten und Geldströmen

Roland Merten, Albert Scherr, Inklusion und Exklusion in der Sozialen Arbeit, VS Verlag für Sozialwissenschaften/GWV Fachverlage Gmbh, Wiesbaden 2004, S.7

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hat dazu geführt, dass die auf der Ebene einzelstaatlicher Re-gelungen angelegten Steuerungsmechanismen ihre Wirksamkeit zunehmend verlo-ren haben bzw. künftighin verlieren werden. Der Nationalstaat verwandelt sich, so eine pointierte Diagnose, in einen „local hero“ (Willke 1992, 310ff.), dessen Steue-rungsmöglichkeiten an die zentralen gesellschaftlichen Probleme nicht mehr heran-reichen. Die international hochmobilen großen Unternehmen haben zunächst auf der Ebene konkreter Produktionen Verlagerungen vorgenommen, um auf diese Weise den in den hoch entwickelten Ländern relativ hohen Lohnkosten zu entgehen. […] Zunehmende Akkumulation von Reichtum in den Händen einer kleinen Bevölke-rungsgruppe bei gleichzeitiger Zunahme einer immer größer werdenden Population, die nachhaltigen Verarmungsprozessen ausgesetzt ist (vgl. BMAS 2001).

[…]  Standen bis zu Beginn der 90er-Jahre beständig steigende Staatseinnahmen zur sozialen Absicherung zur Verfügung, so hat sich die Hoffnung auf beständiges und ununterbrochenes wirtschaftliches Wachstum, das ein „Weiter so, wie bisher“ nahe legte, als „Kurzer Traum immerwährender Prosperität“ (Lutz 1984) herausgestellt. Dieser Traum ist inzwischen wie eine Seifenblase zerplatzt, ohne dass sich zugleich alternative Konzepte zur Sicherung des bisher Erreichten am Horizont politischer Auseinandersetzungen erkennen ließen. Die aktuelle (sozial-)politische Phantasie scheint sich auf „Sparkonzepte“, d.i.: Abbau staatlicher Sicherungsleistungen, insbe-sondere in den unteren Schichten der Erwerbseinkommen und Transferleistungen, zu beschränken (vgl. exemplarisch Martens 2004).

[…]  die Größe der bis Mitte der 1980er-Jahre eher als marginal behandelten Popula-

Roland Merten, Albert Scherr, Inklusion und Exklusion in der Sozialen Arbeit, VS Verlag für Sozialwissenschaften/GWV Fachverlage Gmbh, Wiesbaden 2004, S.8

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tion derjenigen, die nicht an der gesellschaftlichen Entwicklung und der mit ihr ver-bundenen Vorzüge hat teilnehmen können, [hat sich] geradezu exorbitant ausgeweitet. Die ehemaligen Randgruppen sind in einer Weise angewachsen, die dazu geführt hat, dass dieser Terminus untauglich wurde.

Allein mit Blick auf die Bundesrepublik Deutschland haben wir es mit erheblichen Größenordnungen zu tun: 2,7 Millionen SozialhilfeempfängerInnen (3,3% der Bevöl-kerung) Ende 2001, davon allen knapp eine Million Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren (6,5% der Altersgleichen) (Statistisches Bundesamt 2003, S.1). Zusätzlich zeigen die Daten von mehr als 4,3 Millionen registrierten Arbeitslosen (10,5% Ar-beitslosenquote) im August 2003 an (Arbeitsamt online 2003), dass die Zahl der in prekären Lebensverhältnissen Lebenden längst nicht mehr Ausdruck eines individu-ellen Versagens oder subjektiven Fehlverhaltens begriffen werden kann, sondern dass hier gesellschaftliche Wirkmechanismen greifen.Obgleich die Marginalisierung eines zunehmend größer werdenden Teils der Bevöl-kerung erkennbar aus gesellschaftlichen Verursachungszusammenhängen resultiert, laufen die aktuellen sozialpolitischen Steuerungsüberlegungen in Richtung einer per-sonalen Zurechnung und Bearbeitung der aus der Marginalisierung resultierenden individuellen Belastungen. Strukturprobleme sollen durch individuelle Anstrengungen gelöst werden. Der bis dato unstrittige sozialpolitische Grundkonsens ist in Frage ge-stellt.

[…]   die Systemtheorie wurde als Gegenentwurf zu solchen Gesellschaftstheorien wahrgenommen, die die Thematik der sozialen Ungleichheiten ins Zentrum stellen. Eine Gesellschaftstheorie, die für sich in Anspruch nimmt, eine allgemeine Theorie zu sein, also damit letztlich zu allen Themen der sozialen Realität Auskunft geben zu können, muss sich jedoch an ihrem eigenen Anspruch messen lassen. […]

An dieser Stelle setzen nun die neueren Versuche an, die sich mit der Unterschei-dung Inklusion/Exklusion – sei es zustimmend, sei es ablehnend – beschäftigen. Im-mer wieder wird hier das Problem zum Gegenstand erhoben, ob sich dieser aus der Theoriearchitektur der Systemtheorie entspringende binäre Schematismus denn tat-sächlich zur Integration in die Theorie und damit zur (angemessenen) theoretischen Bearbeitung der Thematik „Soziale Ungleichheiten“ eignet. […]

Roland Merten, Albert Scherr, Inklusion und Exklusion in der Sozialen Arbeit, VS Verlag für Sozialwissenschaften/GWV Fachverlage Gmbh, Wiesbaden 2004, S.9

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Exklusionsindividualität, Lebensführung und Soziale Arbeit

Albert Scherr

Veröffentlicht in: Roland Merten, Albert Scherr, Inklusion und Exklusion in der Sozialen Arbeit, VS Verlag für Sozialwissenschaften/GWV Fachverlage Gmbh, Wiesbaden 2004

Dass es Soziale Arbeit mit abweichendem Verhalten, den Folgen und Nebenfolgen von Armut, Benachteiligungen, Diskriminierungen und Randständigkeit, mit Gewalt in Familien und dem Zerfall von Familien, Entwicklungsproblemen im Kindes- und Ju-gendalter usw. zu tun hat, kann ebenso als unstrittig gelten wie die Annahme, dass es sich jeweils um gesellschaftsstrukturell bedingte Problemlagen und Konflikte han-delt. Mit der Sozialen Arbeit verfügt die moderne Gesellschaft darauf bezogen über ein Mittel, auf vielfältige Sachverhalte, die in irgendeiner Weise als gesellschaftlich verursachte Problemlagen von bzw. mit Individuen, Familien und sozialen Gruppen gelten, nicht nur mit Gleichgültigkeit und gegebenenfalls mit Repression zu reagie-ren, sondern mit personenbezogenen Hilfen. Diese Hilfen ergänzen und erweitern die sozialadministrativ erbrachten Leistungen der sozialen Sicherungssysteme. Durch sozialstaatliche Sicherungen und Soziale Arbeit befähigt sich die moderne Gesellschaft dazu, nicht nur auf abweichendes Verhalten zu reagieren, sondern auch die Diskrepanz zwischen ihren normativen Selbstansprüchen, die in Semantiken der Gleichheit, Gerechtigkeit und Menschenwürde aufgehoben sind […].

Noch in den 70er-Jahren war die Vorstellung einflussreich, dass ein Ausbau und eine Verbesserung der sozialen Hilfen dazu beitragen können, dass potenziell alle Indivi-duen in die Gesellschaft „integriert“ werden können, d.h. dass Formen der dauerhaf-ten Benachteiligung und Randständigkeit prinzipiell überwindbar sind. Demgegenüber markiert die Thematisierung von Exklusionen bzw. sozialer Ausgren-zung, die ca. Mitte der 90er-Jahre in heterogenen wissenschaftlichen und politischen Kontexten erfolgt und an Einfluss gewinnt (vgl. Kronauer 1997, S. 28ff.; Rose 2000, S. 100ff.), das Scheitern dieser Leitidee: Die im Vergleich zu den 70er-Jahren empi-risch unbestreitbare Zunahme der Zahl der Dauerarbeitslosen und relativ Armen, derKinder und Jugendlichen, die in Heimen untergebracht sind, der Drogenbenutzer, Wohnungslosen, Straffälligen und Gefängnisin-

Roland Merten, Albert Scherr, Inklusion und Exklusion in der Sozialen Arbeit, VS Verlag für Sozialwissenschaften/GWV Fachverlage Gmbh, Wiesbaden 2004, S.55

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sassen (vgl. Scherr 1998) lässt über-deutlich werden, dass die gesellschaftliche Entwicklung sich keineswegs schrittweise auf eine solche Situation zu bewegt, in der alle Individuen Erwerbsarbeit finden, die geltende Rechtsordnung achten und über intakte familiale Beziehungen verfügen. Die Rede von den Exkludierten bzw. der Exklusionsproblematik ist insofern – vor al-ler theoretisch präzisen Verwendung dieser Begriffe – Ausdruck und Bestandteil ei-nes Krisenbewusstseins.

Die Soziale Arbeit findet sich dabei in der Bundesrepublik in einer Situation vor, in der sie in paradoxer Weise von der Zunahme und Vervielfältigung sozialer Probleme und Konflikte profitiert hat: Obwohl sie ihrem Selbstverständnis nach auf die Über-windung von Hilfsbedürftigkeit zielt, trägt gerade die faktische Zunahme von Hilfsbe-dürftigkeit zu ihrer offenkundigen qualitativen und quantitativen Expansion bei (vgl. Rauschenbach/Schilling 2001). […]

Die systemtheoretische Bestimmung der Inklusions-/Exklusionsverhältnisse der modernen Gesellschaft [stellt] keine umfassende und ausreichende Grundlegung für die Theorie der Sozialen Arbeit zur Verfügung. Soziale Arbeit benötigt darüber hin-aus eine solche Theorie der Lebensführung in der modernen Gesellschaft, die in der Lage ist aufzuzeigen, unter welchen Bedingungen Inklusionen und Exklusionen zu einer solchen Hilfsbedürftigkeit führen, die Leistungen der Sozialen Arbeit veranlasst und worin die Möglichkeiten und Grenzen solcher Leistungen liegen.

Roland Merten, Albert Scherr, Inklusion und Exklusion in der Sozialen Arbeit, VS Verlag für Sozialwissenschaften/GWV Fachverlage Gmbh, Wiesbaden 2004, S.56

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Integration/Desintegration und Inklusion/Exklusion. Eine Verhältnisbestimmung aus sozialarbeitswissenschaftlicher Sicht

Heiko Kleve

Integration/Desintegration und Inklusion/Exklusion

Eine Verhältnisbestimmung aus sozialarbeitswissenschaftlicher Sicht

Der Text ist publiziert in: sozialmagazin, 25. Jg., 12/2000, S. 38-46.

 

I.

 Bevor ich theoretisch entfalte, worum es mir mit diesem Beitrag geht, möchte ich einleitend exemplarisch die Problematik der Verhältnisbestimmung von Integration/Desintegration und Inklusion/Exklusion an einem aktuellen Beispiel verdeutlichen, und zwar anhand der Debatte um die doppelte Staatsbürgerschaft:

 In der Bundesrepublik Deutschland wird seit einigen Jahren heftig darüber diskutiert, ob die sogenannten ausländischen MitbürgerInnen neben der Staatsbürgerschaft ihres Herkunftslandes bzw. des Herkunftslandes ihrer Eltern oder Großeltern auch die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten könnten. Die Diskussion über Pro und Contra der doppelten Staatsbürgerschaft spaltet sich in zwei Lager: Auf der einen Seite argumentieren die Gegner tendenziell dafür, dass die Menschen, die in Deutschland dauerhaft leben möchten, sich auch für die Integration in die deutsche Kultur, mit allen dazugehörigen Verbindlichkeiten wie moralischen und kulturellen Vorstellungen etc. entscheiden sollten. Erst diese Integration sichere das friedliche Zusammenleben von Menschen anderer ethnischer Zugehörigkeit mit den Deutschen. Und diese Integration werde gefördert, wenn man lediglich die Möglichkeit habe, sich für eine Staatsbürgerschaft zu entscheiden. Die Gegner der doppelten Staatsbürgerschaft verbinden also die Inklusion in das politische System der BRD, welche mit der deutschen Staatsbürgerschaft einhergeht, und alle weiteren Inklusionsmöglichkeiten, die die politische Inklusion voraussetzen, mit der Integration in ein wie immer gefasstes einheitliches deutsches Kultur-, Moral- bzw. Normengefüge; mit anderen Worten, sie identifizieren implizit einerseits (politische, staatliche) Inklusion und (normative, kulturelle etc.) Integration sowie andererseits (normative, kulturelle etc.) Desintegration und (politische, staatliche) Exklusion.

 Die Befürworter der doppelten Staatsbürgerschaft wollen diese rechtlich verankerte Mentalität aufbrechen; sie entkoppeln sozusagen die Inklusionsmöglichkeiten der Menschen von deren Integrationen. Demnach sollen auch diejenigen eine Chance haben, am öffentlich-politischen Leben in Deutschland teilzunehmen – z.B. das aktive und passive Wahlrecht bekommen und alle anderen Rechte, die mit der staatsbürgerlich-politischen Inklusion einhergehen –, die sich entschließen, kulturell in Deutschland eher desintegriert zu bleiben oder – ambivalent, unentschieden – zwischen bzw. mit zwei Kulturen zu leben; mit anderen Worten, es wird keine eindeutige Entscheidung für eine wie auch immer geartete deutsche Integration erwartet, um die Möglichkeiten der politischen Inklusion zu erhalten. Inklusion soll – möglicherweise trotz Desintegration, trotz Differenz – möglich sein; aus den MitbürgerInnen sollen BürgerInnen werden können. „Es geht darum, dem jeweils anderen oder der anderen Gruppe zuzubilligen, dass sie ein Recht auf Anwesenheit haben und unterschiedliche Gruppe[n] nebeneinander koexistieren zu lassen, ohne dass sie direkt miteinander agieren müssen“ (Jakubeit 1999, S. 92), ohne – so füge ich hinzu – sich sozial integrieren zu müssen. Mit dieser Sichtweise wird also die Vorstellung aufgebrochen, die zwischen Integration und Inklusion sowie zwischen Desintegration und Exklusion ein Gleichheitszeichen setzt; vielmehr soll politische, juristische Inklusion etc., die zuallererst über die Staatsbürgerschaft vermittelt wird, möglich werden, ohne jedoch die Differenz bezüglich der unterschiedlichen Integrationsformen hinsichtlich ethnischer, kultureller, sozialer, kurz: lebensweltlicher Zugehörigkeiten aufheben, negieren, einebnen oder aushebeln zu wollen.

 Im Folgenden soll es mit Bezug auf die gesellschaftlichen Funktionen und Möglichkeiten der Sozialen Arbeit darum gehen, die Sichtweise, die im Beispiel den Befürwortern der doppelten Staatsbürgerschaft zugeschrieben wird, theoretisch zu entfalten. Mit anderen Worten, es soll explizit gezeigt werden, was in dem Beispiel implizit deutlich wird: dass nämlich zwischen Integration/Desintegration und Inklusion/Exklusion strukturelle Unterschiede markiert werden können, die beschrieben und erklärt werden sollten. Die These lautet, dass Sozialarbeitswissenschaft und Sozialarbeitspraxis an gesellschaftstheoretischen Beobachtungs- und Selbstreflexionsmöglichkeiten gewinnen, wenn sie es vermeiden, die Begriffspaare Integration/Desintegration und Inklusion/Exklusion synonym zu verwenden, wie man dies derzeit jedoch noch beobachten kann.

 Zur Entfaltung der These wird zunächst nach dem kurzen empirischen ein eher theoretischer Prob-

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lemaufriss versucht (II.), um sodann das Begriffspaar Integration/Desintegration zu präzisieren und es von Inklusion/Exklusion abzugrenzen sowie die vermeintliche Funktion der Sozialen Arbeit als ‚Integrationshilfe‘ zu hinterfragen (III.). Im Anschluss daran wird das Konzept von Inklusion/Exklusion sowie das Spannungsverhältnis von Inklusion und Integration dargestellt und die diesbezüglichen Funktionen der Sozialen Arbeit skizziert. Die (möglicherweise provozierende) These lautet: Damit Menschen in die Gesellschaft inkludiert werden können, müssen sie potentiell sozial desintegriert bzw. eher lose integriert sein (vgl. dazu bereits Kleve 1997; 1999, S. 184ff./210ff.); und genau dabei, nämlich eine solche potentielle soziale Desintegration bzw. eher lose Integration auszuhalten bzw. zu erreichen, hilft Soziale Arbeit (IV.). Schließlich soll das eingangs angeführte Beispiel in einigen abschließenden Worten zum Umgang mit dem/den desintegrierten Fremden und – aus aktuellem Anlass – bezüglich der Sozialen Arbeit mit fremdenfeindlichen Gruppen (z.B. jugendlichen Skinheads) noch einmal aufgegriffen werden (V.).

II.

 In der allgemeinen disziplinübergreifenden sozialwissenschaftlichen Debatte, aber auch vermehrt in den disziplinären und professionellen Diskursen der Sozialarbeit hat in den letzten Jahren ein Begriffspaar die Runde gemacht, das bisher in der Sozialarbeit allerdings in seiner gesellschaftstheoretischen Bedeutung kaum präzisiert, geschweige denn reflektiert und näher bestimmt worden ist: nämlich das Begriffspaar ‚Inklusion/Exklusion‘ (siehe als Ausnahme die systemtheoretischen Arbeiten von Baecker 1994; Fuchs/Schneider 1995; Bommes/Scherr 1996). Während in der sozialarbeitswissenschaftlichen Tradition von ‚Integration/Desintegration‘ gesprochen wird, um die Möglichkeiten der sozialen Partizipation (Integration) bzw. die Ausgrenzung von Individuen von dieser Partizipation (Desintegration) sowie die diesbezüglichen (vermeintlich re-integrierenden) Funktionen der Sozialarbeit zu beschreiben (vgl. Mühlum 1996, S. 170ff./181ff.), so wird nun offenbar angefangen, von ‚Inklusion/Exklusion‘ zu sprechen. Der Wechsel der Begrifflichkeiten – von Integration/Desintegration zu Inklusion/Exklusion – geht allerdings vonstatten, ohne dass hinreichend verdeutlicht wird, warum dieser Begriffswechsel erfolgt und was mit diesem ‚neuen‘ Begriffspaar anders als mit dem ‚alten‘ wie in den Blick gerät. Mein Eindruck ist, man wechselt lediglich die Begriffe, weil man sehr kurzsichtig, also sehr unscharf gesellschaftstheoretische Diskurse beobachtet, die vermehrt mit dem Begriffsapparat ‚Inklusion/Exklusion‘ zu arbeiten beginnen, um Ausgrenzungs- bzw. Ausschließungsprozesse von Personen aus der Gesellschaft zu beschreiben.

 

Der Exklusionsbegriff beispielsweise „hat sich in wenigen Jahren in den Sozialwissenschaften und im öffentlich-politischen Diskurs etabliert“ (Stichweh 1997, S. 123). Zum einen wird der Begriff von der Armuts- und Ungleichheitsforschung systematisch verwendet und zum anderen wird er mittlerweile – insbesondere von Frankreich kommend – auch zunehmend außerhalb der Sozialwissenschaften in öffentlichen, z.B. massenmedialen Kommunikationen zur Bezeichnung des Ausschlusses immer größerer Bevölkerungsgruppen aus gesellschaftlichen Systemen benutzt.

 Aufgrund dieser Zunahme, wissenschaftlich und öffentlich-politisch mit ‚Inklusion/Exklusion‘ zu kommunizieren, wird man mittlerweile offensichtlich bereits dazu verführt, mit diesem Begriffspaar zu argumentieren, ohne es selbst einer Befragung, geschweige denn einem Definitionsversuch zu unterziehen. So schreiben beispielsweise Gabriele Flösser u.a. (1996, S. 29), dass Sozialarbeit die gesellschaftliche Instanz sei, „die eigentlich die Inklusion der Gesellschaftsmitglieder zur Aufgabe hat, [aber] durch Zuwendung zu den schon Inkludierten die Exklusion der nicht mehr in den Blick genommenen vorantreibt“; und so wird weiter argumentiert, dass sich die „Methoden und Instrumente [...] wie auch das Selbstverständnis der Sozialen Arbeit daran messen lassen müssen, ob und inwieweit sie einen Beitrag zur gesellschaftlichen Inklusion bzw. Exklusion leisten“ (ebd.). Nur, was bedeutet in diesem Zusammenhang Inklusion bzw. Exklusion? Könnte man möglicherweise anstatt Inklusion und Exklusion auch Integration und Desintegration schreiben? Oder wäre damit der Sinn ein anderer? Diese Fragen sind nicht beantwortbar, wenn man es unterlässt, die beiden Begriffspaare gesellschaftstheoretisch zu präzisieren und voneinander abzugrenzen. Sollte eine solche Abgrenzung nicht möglich sein – was hier widerlegt werden soll –, dann könnte man getrost auf den Export der neuen Begrifflichkeit in die sozialarbeiterischen Diskurse verzichten.

 Den Eindruck aber, dass es sich bei den beiden Begriffspaaren um theoretische Werkzeuge handelt, die dieselben oder zumindest ähnliche Bedeutungen transportieren, bekommt man selbst dann, wenn man sozialwissenschaftlich sehr reflektierte Arbeiten zur Sozialen Arbeit, wie etwa jene von Roland Merten, untersucht; auch hier werden m.E. Integration/Desintegration und Inklusion/Exklusion nicht in ihrer Bedeutung ausreichend voneinander differenziert, sondern vielmehr wird man angehalten, „Soziale Arbeit als Integrationsarbeit“ (Merten 1996, S. 81) zu verstehen, um sodann jedoch mit ei-

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nem Zitat von Dirk Baecker darauf hingewiesen zu werden, dass Sozialarbeit „Inklusionsprobleme der Bevölkerung in die Gesellschaft betreut“ (ebd.; Hervorhebung von mir; H.K.). Für Roland Merten stellt sich der Begriff der (sozialen) Integration letztlich als so allumfassend dar, dass fraglich wird, was der Begriff denn überhaupt noch aussagt, wenn sogar von der Theoriearbeit eine ‚Inhaltsleere‘ intendiert wird (vgl. Merten 1997, S. 94ff.), in die man alles hineinpacken kann, was sich als Sozialarbeit ausweist oder so ausgewiesen werden kann.

 Im Folgenden werde ich der Gesellschaftstheorie der Sozialarbeitswissenschaft und der Sozialarbeitsprofession eine Möglichkeit anbieten, die Begriffspaare ‚Inklusion/Exklusion‘ und ‚Integration/Desintegration‘ voneinander zu unterscheiden. Denn erst nach einer solchen Unterscheidung kann man erkennen, welche verschiedenartigen Bedeutungen beide Begriffspaare mitführen. Man wird erst nach dieser Unterscheidung das Neue, das Innovative sehen können, das sich mithin zeigt, wenn die bisherige differenzierungsarme Sprache, dietendenziell Integration mit Inklusion und Exklusion mit Desintegration gleichsetzt, mit diesbezüglichen Differenzen angereichert wird. Die These ist, dass sich das Begriffspaar Integration/Desintegration auf die (in der ‚multikulturellen‘ Gesellschaft pluralisierten) lebensweltlichen Zugehörigkeiten zu Gruppen, Beziehungen, Familien, Netzwerken, kollektiven Identitäten etc. bezieht, in denen die Menschen sozusagen ganzheitlich, als ganze Personen relevant sind sowie moralische Präferenzen und normative Wertsetzungen teilen. Im Gegensatz dazu bezieht sich Inklusion/Exklusion auf eine über Rollen differenzierte nur ausschnitthafte soziale Teilnahme von Menschen an gesellschaftlichen Systemen, die symbolische und materielle Ressourcen wie (staatsbürgerliche) Rechte, (politische) Macht, Arbeit, Geld, Bildung, soziale Hilfe etc. bereitstellen sowie individuell vermitteln und deren Einsatz voraussetzen.

Diese These resultiert in erster Linie aus systemtheoretischen Beobachtungen der Gesellschaft, d.h. sie ist gewonnen durch die Einnahme der gesellschaftstheoretischen Perspektive der funktional-strukturellen Systemtheorie (siehe grundsätzlich dazu Luhmann 1997). Darüber hinaus werden allerdings auch theoretische Anleihen gemacht, die auf die Theorie des kommunikativen Handelns von Jürgen Habermas und auf die Theorie der reflexiven Modernisierung von Ulrich Beck zurückgehen. Die Einnahme solcher Theorieperspektiven wird der Sozialarbeitswissenschaft vorgeschlagen, weil so beobachtet werden kann, dass auf der Sozialarbeit genau jene gesellschaftlichen Probleme lasten, die dadurch entstehen, dass sich die Gesellschaft gewandelt hat: und zwar von einer Integrationsgesellschaft zu einer Inklusionsgesellschaft. Sozialarbeit hat demnach die individuellen Probleme zu betreuen, die sozialstrukturell durch diesen Wandlungsprozess bedingt sind.

 III.

 Traditionellerweise meint man in der Sozialarbeit auch heute noch, dass sozialarbeiterische Hilfen Integrationshilfen seien. Mit dieser These, dass Soziale Arbeit also die Funktion zufalle, Menschen sozial zu integrieren, geht man implizit davon aus, dass desintegrierte Menschen problembelastete Menschen sind, denen hinsichtlich einer (wieder)herzustellenden Integration geholfen werden müsse. Desintegration wird also eindeutig negativ bewertet. Soziale Arbeit helfe Menschen demnach dabei, sich zu integrieren, etwa einerseits in lebensweltliche Gemeinschaften wie soziale Gruppen, Familien etc. oder in Moral- und Wertgebäude und andererseits in die Politik, das Recht, die Wirtschaft, die Bildung etc. Eswird also ein Integrationsbegriff benutzt, der keine eindeutige Differenz markiert - um mit Habermas zu sprechen: zwischen der lebensweltlichen Sphäre der Gesellschaft, die normativ über Sprachen, Moralgebäude und sozial geteilte Werte integriert wird und der (funktions)systemischen Sphäre der Gesellschaft, die funktional über Kommunikationsmedien wie Macht, Recht und Geld vermittelt ist (siehe Habermas 1981).

Wenn man Sozialer Arbeit die Funktion der Integrationshilfe zuschreibt, dann verkennt man, dass Menschen zwar integriert werden können, und zwar in die Lebenswelt, aber – wenn man den soziologischen Begriff Integration ernst nimmt – nicht in den Staat, die Politik, die Wirtschaft oder das Bildungssystem; bezüglich dieser funktionalen gesellschaftlichen Systeme können sie lediglich inkludieren bzw. inkludiert werden.

Mit der klassischen Soziologie (etwa mit Emile Durkheim oder Talcott Parsons) im Rücken bedeutet Integration, zusammengefasst gesagt, die vollständige, wenn man so will, die ganzheitliche Einbindung von Individuen und deren Handeln und Denken in normativ verpflichtende soziale Zugehörigkeiten, in lebensweltliche Gemeinschaften. Von der Integration ist potentiell und tendenziell der ganze Mensch betroffen, der etwa einer bestimmten Gemeinschaft oder Gruppe angehört, mit der er bestimmte Werte und Handlungspräferenzen teilt; er wird über die Zugehörigkeit zu dieser Gemeinschaft oder Gruppe bezüglich seiner persönlichen Merkmale definiert und definierbar; seine Handlungs-und Denkmöglichkeiten werden bis auf ein bestimmtes Maß an Freiheitsgraden, an Denk- und

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Handlungsspielräumen eingeschränkt. Im Gegensatz dazu verlangt die systemische Partizipation, die im Anschluss an die soziologische Systemtheorie Inklusion genant werden soll (vgl. Luhmann 1995; Nassehi 1997; Nassehi/Nollmann 1997), die Verfügbarkeit über bürgerliche Rechte, z.B. die Möglichkeit, die Rolle eines Staatsbürgers/einer Staatsbürgerin einzunehmen sowie den Einsatz solcher Medien wie Geld, Macht und Recht. Die Nicht-Möglichkeit der personellen Einnahme dieser Rollen geht mit Exklusion einher, d.h. Personen, die weder die Möglichkeit haben, Staatsbürger zu sein, Geld (etwa durch Arbeit) zu erlangen, Rechte in Anspruch zu nehmen, durch Bildung Positionen zu erreichen etc. bleiben tendenziell exkludiert. Während man über die Integration eher unspezifisch, mithin wenig rationalisiert, wenig verrechtlicht und wenig bürokratisiert am lebensweltlichen Bereich der Gesellschaft partizipiert, partizipiert man an der funktionssystemischen Sphäre der Gesellschaft über Inklusion nach klar umrissenen strukturellen, rechtlich und bürokratisch abgesicherten rationalisierten Regeln.

Im lebensweltlichen Bereich, mithin im Integrationsbereich, sind Menschen potentiell als ganze Personen eingebunden, d.h. alles Persönliche, alles Gefühlte, Gedachte, Erwartete etc.kann hier relevant werden. Im funktionssystemischen Bereich hingegen zählen nur bestimmte rollenhafte Ausschnitte der jeweiligen Persönlichkeit. Personen sind hier also z.B. (nur) in ihrer jeweiligen Rolle als StaatsbürgerInnen, WählerInnen, KonsumentInnen, ArbeitnehmerInnen/ArbeitgeberInnen, StudentInnen, KlientInnen/SozialarbeiterInnen etc. relevant, der ‚Rest‘ der Persönlichkeit bleibt ausgeschlossen, bleibt exkludiert.

Bei der Verwendung eines allumfassenden Integrationsbegriffs oder Inklusionsbegriffs wird übersehen, dass Individuen Unterschiedliches ins Spiel bringen müssen, um zum einen an der lebensweltlichen und zum anderen an der funktionssystemischen Sphäre der Gesellschaft zu partizipieren. Mit anderen Worten, eine Soziale Arbeit, die nur einen Begriff für die Partizipation des Individuums an der Gesellschaft hat, etwa Integration oder Inklusion, übersieht, dass gesellschaftliche Partizipation genaugenommen zweigeteilt ist: in lebensweltliche und systemische Partizipation, in Integration und Inklusion.

Nach einer präzisen Unterscheidung von Integration und Inklusion kann man also erkennen, wie ich noch einmal explizit betonen möchte, dass Individuen zwar in Gruppen, Familien, Freundschaften, kurz: in lebensweltliche Gemeinschaften integriert sein können, aber nicht in der Politik, im Recht, in der Wirtschaft oder in der Bildung. In diesen Bereichen der Gesellschaft, in diesen Funktionssystemen zählen Menschen nur ausschnitthaft, nur rollenhaft, sozusagen als geteilte Persönlichkeiten. Und genau diese rollenhafte, ausschnitthafte Teilnahme von Menschen an Funktionssystemen der Gesellschaft, die materielle und symbolische Ressourcen vermitteln, soll als Inklusion bezeichnet werden.

In der Moderne zeigt sich nun, dass Menschen keineswegs mehr in stabilen lebensweltlichen Integrationsformen leben, dass mithin die klassischen lebensweltlichen Einheiten (z.B. Kleinfamilien) sowie moralische und normative Verbindlichkeiten die Menschen nur noch lose zeitlich und sozial zusammenhalten (vgl. Beck 1986). Die Menschen verlieren ihre traditionellen Integrationsformen, die ihr Leben (in der Vormoderne vollständig) absicherten und werden abhängiger denn je von Möglichkeiten der sozialen Inklusion - z.B. bezüglich der Institutionen und Organisationen der modernen Gesellschaft, etwa der Sozialen Arbeit (vgl. Rauschenbach 1992). Nur wenn Menschen in der modernen Gesellschaft sich Inklusionsmöglichkeiten sichern können, z.B. hinsichtlich der Bildung, der Wirtschaft, dem Recht, der Politik etc., nur wenn sie, anders gesagt, über Kommunikationsmedien wie Geld, Recht, Macht, Bildung etc. verfügen, können sie ihre physische und psychische Existenz sichern. Denn über Inklusionen in Funktionssysteme, und nicht über Integration in lebensweltliche Gemeinschaften, werden in der modernen Gesellschaft lebensnotwendige Ressourcen und Kapazitäten vermittelt. Erst wenn die Soziale Arbeit dies erkennt, kann sieihre Funktionen bezüglich der unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereiche, d.h. bezüglich des Inklusions- und bezüglich des Integrationsbereichs, präzise beschreiben. Soziale Arbeit könnte sich dann die Aufgabe zuschreiben, mit ihren AdressatInnen daran zu arbeiten, deren persönliche Inklusionschancen zu sichern, wieder zu ‚entdecken‘ oder zu erhöhnen bzw. ihnen dabei zu helfen, auch mit eventuell dauerhafter Exklusion – trotz lebensweltlich loser Integration/potentieller Desintegration – zu leben.

 IV.

Meine These, die ich schließlich in Anlehnung an den systemtheoretischen Diskurs zur Funktion der Sozialarbeit skizzenhaft ausführen will, lautet, dass Soziale Arbeit die Funktion hat, Inklusionen zu vermitteln bzw., wenn dies nicht gelingt, stellvertretend zu inkludieren (vgl. ausführlich dazu bereits Kleve 1997). Sozialarbeit beobachtet demnach Exklusionen, Ausschlüsse von Personen aus den wichtigen Funktionssystemen der Gesellschaft (z.B.

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Wirtschaft, Politik/Staat, Recht, Bildung etc.), thematisiert diese und bietet den ausgeschlossenen Personen Hilfen zur Re-Inklusion, zur Exklusionsüberbrückung oder zur dauerhaften Exklusionstoleranz an. Und bei der Wahrnehmung dieser Funktion leistet Soziale Arbeit tendenziell keine Integrationshilfe mehr; vielmehr erkennt sie (zumindest implizit), dass in der modernen, vielleicht schon postmodernen Gesellschaft, zu feste normativ verpflichtende lebensweltliche Einbindungen in soziale Integrationsformen wie Familien, Gruppen etc. Inklusionsmöglichkeiten verringern.

 Empirisch ist leicht belegbar – wie etwa Ulrich Beck (1993) gezeigt hat –, dass die mobilen, flexiblen, sozial eher lose integrierten bzw. potentiell desintegrierten Menschen mehr Möglichkeiten der Inklusion realisieren können als diejenigen, die diesbezüglich eher fest integriert sind. Wie Beck etwa am Beispiel der modernen Erwerbsarbeit ausführt, setze diese Arbeit „Mobilität und Mobilitätsbereitschaft voraus, alles Anforderungen, die nichts befehlen, aber das Individuum dazu auffordern, sich gefälligst als Individuum zu konstituieren: zu planen, zu verstehen, zu entwerfen, zu handeln – oder die Suppe selbst auszulöffeln, die es sich im Falle seines ‚Versagens‘ dann selbst eingebrockt hat“ (ebd., S. 153).

 Der potentiell desintegrierte, der mobile und flexible Einzelne wird also ins Zentrum gerückt, und „traditionale Lebens- und Verkehrsformen“ bzw. traditionale soziale Integrationen werden in der modernen Gesellschaft eher mißlohnt, so dass zwar über „verlorengegangene Gemeinsamkeiten“ (ebd., S. 154) und deren Auflösung in radikale Pluralität und soziale Differenzierung geklagt werden kann, so dass etwa Reintegrationsversuche unternommen werden können, deren Erfolgsmöglichkeiten aber müssen angesichts der strukturellen Dynamik der Moderne bezweifelt werden. Alle Versuche, die Gesellschaft und die in lebensweltlicher Pluralität sich verlierenden individualisierten Menschen in die Gesellschaft zu re-integrieren, wirken angesichts der gesellschaftstheoretischen Diagnosen zur Moderne, wie sie etwa von Niklas Luhmann, Ulrich Beck und auch von Jürgen Habermas vorgelegt wurden, als verzweifelte Versuche und offenbaren eher ein unrealistisches, sozialromantisches Unterfangen.

 Gesellschaftstheoretisch abstrakt betrachtet bedeutet die bisherige Darstellung des Verhältnisses von Integration und Inklusion, dass Inklusion und Integration gegenläufig sind, dass der Inklusionsbereich der Gesellschaft desintegriert und der Exklusionsbereich der Gesellschaft integriert ist. Auf der Seite der Inklusion, also auf der Seite der funktionssystemischen Partizipationen ist keine Integration möglich, während Integration außerhalb der Funktionssysteme, in deren Exklusionsbereich, in der Lebenswelt immer wieder neu von jedem und jeder einzelnen realisiert werden muss. „In dem Maße, in dem die Gesellschaft in einzelne Funktionsbereiche zerfällt [...], werden die Menschen jeweils nur unter Teilaspekten eingebunden: als Steuerzahler, Autofahrer, Studentin, Konsument, Wähler, Patientin, Produzent, Vater, Mutter, Schwester, Fußgängerin usw.; d.h. sie werden im andauernden Wechsel zwischen verschiedenartigen, zum Teil unvereinbaren Verhaltenslogiken gezwungen, sich auf die eigenen Beine zu stellen und das, was zu zerspringen droht, selbst in die Hand zu nehmen: das eigene Leben. Die moderne Gesellschaft integriert die Menschen nicht als ganze Personen in ihre Funktionssysteme, sie ist vielmehr im Gegenteil darauf angewiesen, dass Individuen gerade nicht integriert werden, sondern nur teil- und zeitweise als permanente Wanderer zwischen den Funktionssystemen an diesen teilzunehmen“ (Beck 1997, S. 10).

 Die Menschen werden also strukturell gezwungen, um Sinn, Werte, Lebensstile etc. zu finden, zu konstruieren, sich auf „die eigenen Beine zu stellen“, ein eigenes Leben zu konstruieren, wobei ihnen der funktionssystemische Bereich der Gesellschaft, der Inklusionsbereich, eher abverlangt diesbezüglich potentiell offen, flexibel und mobil, kurz: potentiell desintegriert bzw. lose integriert zu bleiben.

 Demnach scheint der Sozialen Arbeit in der modernen Gesellschaft die Funktion zuzufallen, Menschen dabei zu helfen, mit ihrer potentiellen sozialen Desintegration bzw. ihrer tendenziell losen Integration zu leben, mithin die Folgen der Dynamik der Moderne auszuhalten. Will Soziale Arbeit also Menschen dabei helfen, dass diese ihre physische und psychische Existenz selbstständig sichern können, dann muss sie die individuellen Möglichkeiten fördern, mit dieser losen Integrationsform bzw. mit potentieller Desintegration umzugehen, diese zu erreichen, weil nur so die Chancen für die Inklusion in die Funktionssysteme erhöht bzw. geschaffen werden können. Soziale Arbeit inkludiert also, um lose soziale Integration bzw. Desintegration auszuhalten, damit die Inklusion in die Funktionssysteme der Gesellschaft (Wirtschaft, Politik, Recht, Bildung etc.) (wieder) gelingt oder eine dauerhafte Exklusion aus diesen Funktionssystemen individuell, psychisch, emotional und sozial ausgehalten werden kann. Gerade aufgrund der eher losen sozialen Integrationsformen bzw. der potentiellen Desintegration moderner Individuen ist Soziale Arbeit, die immer dann (stellvertretend) inkludiert, wenn andere Funktionssysteme (etwa Wirtschaft, Recht,

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Bildung etc.) individuell keine Inklusionsmöglichkeiten mehr bieten, für viele die einzige Chance, ihr physisches und psychisches Leben zu sichern. Denn in der Moderne ist es bei der Beobachtung von Lebensrisiken und -problemen eher nicht selbstverständlich, dass Menschen sich aufgrund normativer Verpflichtungen innerhalb sozialer Integrationsformen gegenseitig helfen; vielmehr wird der professionelle Einsatz strukturell verankerter (sozialer oder therapeutischer) Hilfen erwartet (vgl. Luhmann 1973).

Erst wenn die Sozialarbeit erkennt, dass die moderne Gesellschaft keine Integrationsgesellschaft mehr ist, sondern eine Inklusionsgesellschaft, deren strukturelle Erwartung Desintegration ist, dann wird sie ihre gesellschaftliche Funktion mit allen ihren Ambivalenzen und Paradoxien theoretisch rekonstruieren und fundiert reflektieren können. Die Gesellschaft ist seit ihrem Übergang in die funktionale, in die funktionssystemische Differenzierung, also etwa seit dem Eintritt in das 20. Jahrhundert keine normativ integrierte Gesellschaft mehr, in der sozial geteilter Sinn, mithin das soziale Ganze (z.B. über universelle Normen) alles andere zusammenhält, sondern eine – wie immer kritisch man das auch bewerten mag – desintegrierte Gesellschaft, in der man nur noch leben kann, weil es die formal organisierten und institutionalisierten Möglichkeiten sozialer Inklusion gibt.

 

V.

 „Was Wunder, daß es eine theoretische Aufgabe von allergrößter Wichtigkeit ist, sich dem Problem des Anderen nun anders zu stellen, das Verhältnis zum Fremden nicht weiter als Provokation zur [integrativen; H.K.] Aneignung zu verstehen“ (Kamper 1986, S. 41). Ausgehend von diesem Zitat möchte ich abschließend noch einmal auf das eingangs angeführte Beispiel der Debatte über die doppelte Staatsbürgerschaft zurückkommen, in der sich der Umgang mit dem/den desintegrierten Fremden bzw. Anderen spiegelt. Ich will

 versuchen zu verdeutlichen, dass gerade der gesellschaftliche (also auch sozialarbeiterische) Umgang mit AusländerInnen, mit Menschen nicht-deutscher Herkunft, mit Menschen (noch) anderer Staatsbürgerschaft ein Zeichen dafür ist, an dem erkennbar wird, worin sich eine ‚moderne‘ von einer heute geforderten ‚postmodernen‘ gesellschaftlichen Beobachtungs- und Kommunikationspraxis unterscheidet. Angesichts des grassierenden Rechtsradikalismus in Deutschland, ja in Europa soll in diesem Zusammenhang außerdem das Phänomen fremdenfeindlicher Gewalt insbesondere bezüglich der darauf bezogenen sozialarbeiterischen Reaktionsmöglichkeiten kurz diskutiert werden.

 Während die politisch konservative Seite den Begriff Integration als einen schillernden Kampfbegriff benutzt, mit dem die Einstellung „zu Ausländern umschrieben wird: Von der Anpassung (Assimilation) bis hin zu Ausgrenzung ‚Integrationsunwilliger‘“ (Jakubeit 1999, S. 92), kommt es darauf an, diesen Begriff zu unterscheiden: eben von Inklusion. Außerdem sollte man sehen lernen, dass sich die Weltgesellschaft spätestens mit der zunehmenden Globalisierung und Internationalisierung nicht nur der Wirtschaft keineswegs mehr in kulturell und ethnisch eindeutig und einheitlich integrierte Regionalgesellschaften aufgliedert. Vielmehr sind strukturell (vor allem ökonomisch) bedingte kulturelle und ethnische ‚Durchmischungen‘ und Differenzierungen in den Nationalstaaten zu beobachten, die ebenfalls – neben den oben angeführten Aspekten – Möglichkeit von Integrationsgesellschaften ad absurdum führen. Diesen Sachverhalt gilt es anzuerkennen und sich politisch darauf einzustellen, indem man eben strukturelle, rechtlich abgesicherte systemische Inklusion (z.B. Staatsbürgerschaft) trotz lebensweltlicher Differenz, trotz Desintegration, eben „differenzempfindliche Inklusion“ (Habermas 1996) ermöglicht.

 Erst die Bereitschaft, Inklusion trotz Differenz zuzulassen, offenbart die Potentiale, die eine Nationalgesellschaft ins Spiel bringen kann, um mit dem/den Fremden umzugehen. Erst wenn sozial nicht mehr versucht wird, sich das Fremde (und das ist nicht nur in ethnischer Hinsicht gemeint) integrativ einzuverleiben, es zu dem Selben, dem Eigenen machen zu wollen, erst dann kommt man zu einem für die heutige Zeit passenden Konzept von sozialer Gerechtigkeit (vgl. weiterführend Kleve 1999a; 1999b).

 Aber von solch einer sozialen Gerechtigkeit scheinen wir derzeit noch weit entfernt zu sein – zumindest gelangt man schnell zu dieser These, wenn man die jüngsten fremdenfeindlichen Gewalttaten in Betracht zieht, die all diejenigen in Angst und Schrecken versetzen, die nicht in eine vermeintlich deutsche Welt der nationalen Integration und kulturellen Identität hinein passen. Mit Peter Fuchs (2000) kann davon gesprochen werden, dass wir in Deutschland gerade angesichts der jüngsten rechtsradikalen Gewalttaten eine Integrationssehnsucht erleben, die jedwedes Anderssein nicht toleriert, die die „kuhwarme Welt der Nähe“ (ebd.) herbeisehnt: „Darin rieselt der Schnee, schmücken Frauen fromm die Fenster, da bauen sich Wälder auf hoch droben, da besiedeln Gartenzwerge die Vorgärten, da ziert man Hauswände mit Metallmöwen. Deutschland ist das Mutterland aller Vereinsmeierei, der Schrebergärten, der Autowaschanlagen. Es

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ist kreuzsentimental, es liebt Wunderkerzen und es schwenkt Feuerzeuge. Sentimentalität und Ressentiment, das hängt zusammen wie Schäferhunde, Weihnachtsfeiern und KZ-Konzerte“ (ebd.). Genau in dieser spießbürgerlich-normalen, ja typisch deutschen Lebenswelt, die nichts mehr herbeisehnt, „als einen kleinen, warmen, ungestörten Raum zum Leben – eine tiefe deutsche Sehnsucht, der mit trockenem Geist und winterklarer Ironie nicht beizukommen ist“ (ebd.), gedeiht die braune Gewalt, so Fuchs. Denn hinter der fremdenfeindlichen Gewalt steht die (deutsche) Ideologie der Übersichtlichkeit, Eindeutigkeit, Ordnung, kurz: der homogenen Integration. Insofern ist diese Gewalt eine Kampfansage gegen das unaufhaltsame Zerbersten von homogenen lebensweltlichen Integrationen; sie entspringt, wie man auch sagen könnte, der Unfähigkeit, das auszuhalten und zu akzeptieren, was unsere postmoderne Welt reicher, bunter, interessanter und vielfältiger, aber auch widersprüchlicher, ambivalenter, komplexer und anstrengender macht: eben Desintegrations-, Differenz- und Diversivitätserfahrungen – aufgrund unterschiedlichster sozialer, ökonomischer, kultureller und politischer Prozesse innerhalb unserer globalisierten Gesellschaft.

 In diesem Zusammenhang drängt sich freilich die Frage auf, wie man Soziale Arbeit mit Menschen gestaltet, die an der beschriebenen Unfähigkeit, an dem sozialen Defizit leiden, das Andere, das Fremde nicht auszuhalten, nicht zu akzeptieren. Wie ist also eine Soziale Arbeit etwa mit rechtsradikalen Jugendlichen (z.B. mit Skinheads) möglich? Benedikt Sturzenhecker (2000) hat in verschiedenen Studien gezeigt, dass Soziale Arbeit auch in diesem Feld – um gesellschaftstheoretisch präzise zu sprechen – eine Inklusions- und keine Integrationsaufgabe hat. An konkreten Beispielen von sozialarbeiterischen Projekten in Westfalen zeigt er, dass eine erfolgreiche Arbeit etwa mit Skinheads möglich ist, wenn SozialarbeiterInnen es z.B. – neben vielen anderen Aspekten (siehe ausführlich dazu ebd., S. 33ff.) – schaffen, diese Jugendlichen in demokratische politische Strukturen (z.B. bezüglich der Mitbestimmung im Jugendzentrum) zu inkludieren, die ihnen das Erlernen von Demokratie ermöglichen, welche nur funktioniert in einem Kontext vielfältiger pluraler Interessen.

 Sturzenhecker (2000, S. 54) ist der Meinung, dass als Reaktion auf den grassierenden Rechtsradikalismus gerade unter Jugendlichen reine „Anti-Methoden (z.B. Rechtsextremisten als individuell Schuldige konstruieren und pathologisieren, Rechtsextremismus als gesellschaftliches Randphänomen definieren und mit Verboten und reiner Repression zu beantworten) [...] nicht geeignet [sind]“. Statt dessen spricht er sich „für eine Potenzierung von Demokratie [aus], gerade im Angesicht ihrer Gefährdung. ‚Demokratie zumuten!’ und ‚Freiheit aushalten!’ sind plakative Formulierungen dieses Ziels“. In diesem Sinne kann, so Sturzenhecker (ebd.), die „Demokratie verteidigt werden, indem sie um so stärker praktiziert wird“. Denn eine „zivile gewaltfreie Verteidigung der Demokratie besteht in ihrer Ausweitung und Praxis in allen Lebensbereichen“ (ebd.). Dies heißt natürlich nicht, dass man nun Rechtsradikalen freien Lauf lässt, im Gegenteil: „Zu demokratischen Handeln gehört auch, die Inhalte und Methoden des Rechtsextremismus zu verweigern und zu verhindern (sicherlich auch durch rechtsstaatliche Strafverfolgung)“ (ebd.; Hervorhebung von mir; H.K.). So geht es in der Sozialen Arbeit mit rechtsradikalen Jugendlichen immer auch darum, die rechtsradikale Identität, etwa die Integration in der Skinhead-Gruppe und die dazugehörigen fremdenfeindlichen Verhaltensmuster zu thematisieren und mit alternativen Mustern und Integrationsformen zu konfrontieren, diesen Jugendlichen schließlich die Möglichkeit anderer Integrationsformen erlebbar zu machen. Das Lernziel einer sozialpädagogischen Arbeit mit Skinheads heißt in diesem Zusammenhang, dass die Jugendlichen fähig werden, „Differenz [zu] ertragen, Verantwortung [zu] übernehmen und mit[zu]bestimmen“ (ebd., S. 43). Soziale Arbeit hat hier eine „Praxis von Gleichheit bei gleichzeitiger Anerkennung von Unterschiedlichkeit (alle anders – alle gleich)“ (ebd., S. 4) nicht nur durch ihre Orientierungen vorzuleben, sondern auch sozialpädagogisch zu vermitteln. Wie dies im einzelnen möglich ist, kann hier allerdings nicht thematisiert werden (siehe dazu nochmals Sturzenhecker 2000).

Festzuhalten bleibt in diesem Zusammenhang aber, dass allen Menschen in einer zunehmend desintegrierten Gesellschaft demokratische Inklusion ermöglicht und zugetraut werden sollte. Die Soziale Arbeit könnte diesbezüglich dabei helfen, dass gerade Jugendliche, „die in einer gesellschaftlichen Situation von Unsicherheit und Ohnmacht für sich Werte und Handlungsorientierungen entwickeln wollen, Demokratie und gewaltfreie Konfliktführung erleben und einüben können“ (ebd., S. 55). Dies sollte auch für rechts orientierte Jugendliche gelten, auch ihnen ist eine „Erfahrung der Qualität von Demokratie“ (ebd.) zu vermitteln, „indem man ihnen Demokratie zutraut“ (ebd.). Eine solche demokratische Orientierung, ein solches demokratisches Zutrauen geht sicherlich mit großer Toleranz einher, was allerdings nicht heißt, dass auch (fremdenfeindliche) Intoleranz toleriert wird. Toleriert, ja gefördert wird jedoch die Inklusion von (auch rechts

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orientierten) Jugendlichen (z.B. in demokratische Strukturen), nicht toleriert, gewaltfrei bekämpft werden allerdings deren politische Orientierungen der Intoleranz. Dies ist beispielsweise methodisch möglich, wie ich noch kurz

mit Sturzenhecker andeuten will, indem die SozialarbeiterInnen versuchen, „die Jugendlichen zu akzeptieren, wie sie sind, das heißt aber nicht, daß sie die politischen Überzeugungen und Gewalthandlungen akzeptieren. Sie trennen zwischen Person und Politik und vermitteln der Person, daß sie erwünscht und wertvoll ist“ (ebd., S. 39), und, dies muss ergänzt werden, signalisieren permanent ihre Ablehnung gegen ihre anti-demokratischen Positionen. „Auf dieser Basis können dann auch Streit und Auseinandersetzung über die rechtsextremen Überzeugungen und über das Gewalthandeln stattfinden“ (ebd.).

 Resümierend lässt sich sagen, dass es in der Sozialen Arbeit heute immer auch darum gehen sollte, eine postmoderne Vision zu entwickeln und lebbar zu machen, in der das Andere, das Fremde – in welcher Hinsicht auch immer – eben als desintegriertes Andere bzw. Fremde anerkannt wird, ohne es deshalb zu exkludieren; gerade darin, auch den/dem Anderen, der/das sich nicht integrieren lässt, zum sozialen Recht der gesellschaftlichen Teilnahme, der Inklusion zu verhelfen, würde sich zeigen, dass pluralistische Demokratie bzw. demokratischer Pluralismus nicht nur eine Floskel, sondern eine lebbare gesellschaftliche Realität ist. Es kommt diesbezüglich also darauf an, Unterschiede zwar wahrzunehmen, aber diese auszuhalten, nicht zu überbrücken oder integrativ zu verringern. Es geht in der sozialen Interaktion und Organisation darum, beim „anderen zuzulassen, dass er anders und verschieden ist. Es ist die Herausforderung zuzulassen, dass der andere die Freiheit hat, verschieden sein zu können und ihn nicht einem Anpassungsdruck auszusetzen“ (Jakubeit 1999, S. 92).

 Um einer solchen Realität näher zu kommen, ist es meiner Ansicht nach zunächst einmal wichtig, gesellschaftstheoretisch genau zu beobachten und zwischen den Begriffspaaren ‚Integration/Desintegration‘ und ‚Inklusion/Exklusion‘ zu unterscheiden. Und so lässt sich abschließend postulieren: Inklusion sichern, fördern, ermöglichen – ja; Integration voraussetzen oder einfordern – nein!

 

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Literatur:

 

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 Jakubeit, G. (1999):„Fremdheit ist eine Beziehung, die gestaltet werden muss“. Integration ist ein schillernder Begriff – „Fremdheitskompetenz“ als Ziel für Einzelne und Organisationen – Ein Interview mit Gudrun Jakubeit, in: Blätter der Wohlfahrtspflege, Heft 5-6/1999: S. 92-93

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Inklusion/Exklusion: Eine Schlüsseldiskussion zum Verständnis der Sozialen Arbeit

Wilfried Hosemann

 Die Soziale Arbeit ist traditionell auf engste mit den Themen ‚soziale und gesellschaftliche Zugehörigkeit’ und ‚Ausgeschlossensein’ verbunden.1 Die gesellschaftlichen und kulturellen Vorstellungen hierzu bestimmen ihre Handlungsräume und ihr Selbstverständnis. Von daher ist es entscheidend, wie soziale Teilhabe oder Ausgeschlossensein in der Gesellschaft benannt und behandelt werden: Welche Folgen hat es beispielsweise, wenn Programme der EU unter Titel wie ‚Battle against Exclusion’ gestellt werden, oder wie entwickelt sich das Selbstverständnis der Sozialen Arbeit, wenn das Begriffspaar Inklusion/Exklusion im Rahmen sozialarbeiterischer Theoriebildung Leitfunktionen zugesprochen bekommt? So muss überlegt werden, wie sich Handlungskonzepte auf der Basis dieser Begriffe auf das praktische Handeln gegenüber den Adressaten der Sozialen Arbeit auswirken. Nicht zuletzt ist zu diskutieren, ob damit die Zukunftsperspektiven der Sozialen Arbeit an der gesellschaftlichen Entwicklung angemessen ausgerichtet werden können.

 Zunächst wird die Stellung des Begriffs Exklusion skizziert, der in der politischen Diskussion und bei der Neudefinition des Sozialstaates einen prominenten Wert erhalten hat (1). Im zweiten Schritt möchte ich die Kontroversen der Sozialen Arbeit zum Inklusion/Exklusions-Schema aufgreifen. Mit Hilfe dieses Schemas kann eine Reflexionsdimension erschlossen werden, die eine dauerhafte Kondensierung von Wissensbeständen auf verschiedenen, miteinander verbundenen Ebenen in der Sozialen Arbeit erlaubt (2). Ich möchte das Begriffsschema daher nicht für Fragen nach der gesellschaftlichen Positionierung der Sozialen Arbeit reservieren, denn hier wird eine sozialarbeitstypische Theoriefigur angeboten, die zwischen Person und Umwelt vermittelt und den Zusammenhang nicht einseitig auflöst. Im Alltag Sozialer Arbeit wird Inklusion und Exklusion auf der Organisationsebene wirksam (3). Die Diskussion um Inklusion/Exklusion beinhaltet eine Diskussion der Gesellschaftsstruktur und ihrer sozialen Folgen. Sie ist mehr als eine Fachdiskussion innerhalb gesellschaftstheoretisch interessierter Kreise. Darin liegt eine Chance, gleichzeitig aber auch eine Herausforderung für die Soziale Arbeit. Eine breite Thematisierung von Ein- und Ausschlussmechanismen innerhalb der Gesellschaft eröffnet der Sozialen Arbeit Möglichkeiten der Legitimation ihres Arbeitsbereiches, bringt aber auch kritische Anfragen und populistische Angriffe mit sich. Soziale Arbeit – ausgerichtet an der Umsetzung sozialer Gerechtigkeit – muss ihr Inklusions- und Exklusionsmanagement ergebnis- und leistungsbezogen begründen und ausweisen können, um ihre demokratische Verankerung kontinuierlich zu erneuern (4).

 1.   Inklusion und Exklusion als Kategorien gesellschaftlicher Auseinandersetzungen

 Kronauer (2002) zufolge ist ‚die soziale Frage’ als der alte Titel für die Auseinandersetzungen um die politische und wirtschaftliche Ordnung in der Gesellschaft durch einen neuen Namen ersetzt worden: Exklusion. Der Kampf gegen soziale Ausgrenzung - mit diesem Motto koordiniert die Europäische Gemeinschaft eine Vielzahl von Aktivitäten, Förder- und Forschungsprogrammen. Nicht der Kampf gegen Armut, sondern gegen soziale Ausgrenzung – Exklusion – ist dabei das Leitmotiv, was eine wesentliche Verschiebung markiert. Kronauer hält für die bemerkenswerte Karriere des Begriffs zwei Gründe für maßgeblich: Zum einen zeige sich der Kontext von Arbeitslosigkeit und Armut in zugespitzter Form als Problem der Teilhabe an den gesellschaftlichen Möglichkeiten des Lebensstandards und der Politik sowie als Problem der sozialen Anerkennung. Zum anderen mache der Begriff der Exklusion auf eine in ‚Innen’ und ‚Außen’, ‚Zentrum’ und ‚Peripherie’ gespaltene Gesellschaft aufmerksam. Ebenso wie mit dem angelsächsischen Begriff der ‚underclass’ wird damit die Gefahr thematisiert, dass ein Teil der Bevölkerung von der Mehrheitsgesellschaft diskriminiert und sozial abgespalten wird. Im Gegensatz zu einem auf Erwerbsarbeit ausgerichteten Armutsbegriff erweitert der Exklusionsbegriff die einbezogenen sozialen Umstände beträchtlich. Er bezieht Inklusion und Exklusion auf die Bereiche Erwerbsarbeit, sozialen Nahraum und Sozialstaat. Ausgrenzung soll als besondere soziale Ungleichheitsqualität bestimmt werden - präzisiert auf wirtschaftliche, politische und soziale Rechte. Als Ausschluss kann auch die einseitige Abhängigkeit von helfenden Organisationen wirksam werden: „Ausgrenzung verfestigt sich zur eigenständigen sozialen Lage, wenn die genannten Momente sich wechselseitig verstärken und die Betroffenen schließlich keine andere Möglichkeit mehr sehen, als sich auf sie ‚einzustellen’ und damit auch im eigenen Handeln noch zu reproduzieren“ (Kronauer 2002, 211).

 Wozu von Exklusion sprechen, wenn Armut und Not gemeint sind? Giddens verteidigt dies, denn: „’Soziale Exklusion’ richtet unsere Aufmerksamkeit auf die sozialen Mechanismen, die Mangelsituationen hervorbringen oder zementieren“ (Giddens 2001, 116f.). Exklusion meine nicht isoliert Armut oder Entbehrung, sondern thematisiere, an den Möglichkeiten der Mehrheit nicht teilhaben zu können. Entsprechend bezieht sich Exklusion - seinem Verständnis nach - auf äußere Umstände, die das gesamte Leben (in unterschiedlichem Maße) betreffen, also nicht nur auf wenige Teilaspekte. Diese Vorstellungen korrespondieren mit Konzepten der Sozialen Arbeit. Giddens rekurriert auf Leibfried u.a.: „Die Benachteiligten sind nur Verlierer des Spiels, die Ausgeschlossenen aber nehmen nicht einmal am Spiel teil“ (ebd., 301 ff.). Sein Verständnis von Exklusion ist politisch ausgerichtet. Es ist ein Arbeitsbegriff für die Umgestaltung des Sozialstaates: „Es gilt, die Mechanismen sozialer Exklusion zu untersuchen und ihnen am oberen wie am unteren Rand der Gesellschaft entgegenzuwirken“ (Giddens 2001, 134). Die Merkmale sozialer, ökonomischer und kultureller Absonderung sind auch an dem Selbstverständnis der Eliten zu erkennen, die sich systematisch sozialer und ökonomischer Verantwortung entziehen. Die Reichweite des Begriffs Exklusion, bezogen auf die gesamte Gesellschaft, verweist auf die Tradition des britischen Wohlfahrtsstaates und seine Begründung durch Marshall als ‚Vollinklusion’ der Staatsbürger mittels ziviler Schutzrechte, politischer Rechte und sozialer Teilhaberechte (vgl. Schaarschuch 1999, 59).

Die Fragen: Was hält die Gesellschaft zusammen, aus welchen Quellen speisen sich jene Kräfte, die Zusammenhalt, Ordnung und möglicherweise Solidarität stiften? wurden bzw. werden im soziologischen Diskurs mit dem Konzept Integration beantwortet.

Habermas (1981) beschreibt zwei Formen der gesellschaftlichen Integration:

(a)    Sozialintegration setzt an normativ vermitteltem und kommunikativ erzieltem Konsens an und bezieht sich auf die Orientierungen der Handelnden.

(b)    Systemintegration  ergibt  sich  über  eine  nicht-normative  Steuerung  der Funktionen und Folgen von Systemen.

Merkmal der gesellschaftlichen Entwicklung ist die zunehmende Differenz von System und Lebenswelt, die Integrationspotenziale auf den Reproduktionsebenen ‚Kultur’, ‚soziale Integration’ und ‚Sozialisation’ bedroht. Der Integrationsbegriff wird positiv konnotiert und dem Desintegrationsbegriff gegenübergestellt. Luhmann distanziert sich vom Integrationsbegriff: er sei unscharf und vor allem auf Einheit bezogen. Und genau diese Einheit, diese einheitliche Bezugsgröße, die alle verpflichte und ausrichte, bestehe eben nicht. Es gibt kein einzelnes System, keine übergeordnete Institution oder ein allgemeinverbindliches Regelsystem, das für die Integration in der Gesellschaft zuständig ist. Vielmehr ist einer Gesellschaftstheorie Differenz zugrunde zu legen und nicht eine vorab angenommene Einheit. Im Gegensatz zu Parsons wird die Integration nicht über gemeinsam geteilte Werte und Normen konzipiert, da von einer funktional differenzierten Gesellschaft ausgegangen wird; deren Fortschritt zeichnet sich ja gerade dadurch aus, dass sich Wirtschaft an den Erfordernissen der Wirtschaft ausrichtet, Politik sich auf Politik bezieht und nicht beispielsweise auf die vom Staat getrennte Religion, oder dass das Gesundheitssystem sich auf die Medizin beruft und nicht bereit ist, Finanzierungsfragen als Leitentscheidungen zu akzeptieren, usw.. Die gesellschaftliche Integration wird nicht mehr über die Gesamtpersönlichkeit des Menschen und seine (vorerfahrenen) Zugehörigkeiten gedacht: sondern über zeitlich begrenzte Teilhabemöglichkeiten an gesellschaftlichen Funktionsbereichen und ihren Organisationen sowie an gesellschaftlich vermittelter Kommunikation.

 Dabei sieht Luhmann die praktische und ideologische Notwendigkeit einer einheitsstiftenden Vorstellung: „Jede Person muss danach Zugang zu allen Funktionskreisen erhalten können, je nach Bedarf, nach Situationslagen, nach funktionsrelevanten Fähigkeiten und sonstigen Relevanzgesichtspunkten. (…) Das Prinzip der Inklusion ersetzt jene Solidarität, die darauf beruht, dass man einer und nur einer Gruppe angehörte. Die universelle Inklusion wird mit Wertpostulaten wie Freiheit und Gleichheit idealisiert; sie ist in Wahrheit natürlich keineswegs freigestellt oder gleich verteilt, aber sie ist durch die Differenzierungsform der Gesellschaft nicht mehr vorreguliert“ (Luhmann 1980, 31). Der Integrationsbegriff wird durch den Inklusionsbegriff ersetzt und neu ausgerichtet. Inklusion ist der Name für „…die Art und Weise (…), in der im Kommunikationszusammenhang Menschen bezeichnet, also für relevant gehalten werden“ (Luhmann 1995, 241). Die Frage des gesellschaftlichen Zusammenhalts wird ausgerichtet auf die Frage, …„wie Menschen temporär an den Kommunikationszusammenhang gesellschaftlicher Teilsysteme gekoppelt werden oder wie – im Falle von Exklusion – eine solche Kopplung ausbleibt“ (Nassehi 1999, 133).

Die Organisationen der Sozialen Arbeit gestalten Zugänge, Inhalte und Umgangsformen hinsichtlich der wesentlichen Bezugslinien des Lebens in unserer Gesellschaft: kulturelle Ressourcen, Erwerbsleben, sozialer Nahraum und Leistungsprofil des Sozialstaates. Die Inklusions-/Exklusionsdebatte führt die Soziale Arbeit wieder dichter an die politische Dimension ihrer Begründung heran und zwar in einer Form, die über das Benennen von Missständen und das Fordern von Abhilfen hinausgeht und sich deutlich von der ‚Behandlung’ individuellen Fehlverhaltens und dem Ausgleich von Bildungs- oder Mobilitätsdefiziten der Adressaten unterscheidet.

 

2. Inklusion und Exklusion als Leitkategorien Sozialer Arbeit

Wenn man die Soziale Arbeit mit einem systemtheoretischen Vorverständnis bestimmen möchte, kann zunächst als deren generelles Ziel formuliert werden, dass sie Exklusionen in Inklusionen umwandelt sowie Voraussetzungen für Wahlmöglichkeiten von Inklusion und Exklusion schafft – und so die Nebenfolgen der Differenzierungsform der Gesellschaft bearbeitet. Entsprechend lassen sich ihre Aufgaben zusammenfassen: Soziale Arbeit definiert gesellschaftliche Exklusionsrisiken als soziale Probleme und bearbeitet sie mittels Exklusionsvermeidung, stellvertretender Inklusion, Inklusionsvermittlung oder Exklusionsbetreuung (vgl. Bommes/Scherr 2000a). Allerdings ist weder die

Entstehung von Hilfsbedürftigkeit noch die der Sozialen Arbeit geradlinig aus der Struktur der funktionalen Differenzierung ableitbar (vgl. Scherr 1999). Die Soziale Arbeit schließt als fachlich positiv bewertetes Handeln mit ihren Strategien sowohl an Inklusion als auch an Exklusion an. Es muss daher auch betont werden: Soziale Arbeit betreibt beabsichtigt und unbeabsichtigt Exklusion und ermöglicht stellvertretend für andere Exklusion, z. B. beim Auflösen sozialer Gewaltverhältnisse. Für die systemtheoretische Bestimmung Sozialer Arbeit ist die Unterscheidung von Inklusion und Exklusion sowohl theoretische Basisreferenz als auch eine praktische Klammer, die verschiedene Themen verbindet.

Im weiteren will ich erstens auf Theorien eingehen, die mit Hilfe der soziologischen Inklusions-/Exklusions-Unterscheidung das Selbstverständnis der Sozialen Arbeit entwickeln und problematisieren. Zweitens soll auf Entwürfe hingewiesen werden, die vor dem Hintergrund des Themas Inklusion/Exklusion Handlungsfolgen und Handlungskonzepte der Sozialen Arbeit diskutieren.

 

2.1 Die Kategorien Inklusion/Exklusion als Basis der Selbstvergewisserung der Sozialen Arbeit

 

Der Diskurs um die Funktion der Sozialen Arbeit betrifft das Verständnis von Gesellschaft und sozialer Hilfe und die Frage, wie das Verhältnis angemessen analysiert werden kann. Die Beschreibung der Gesellschaft über funktionale Differenzierung und die der gesellschaftlichen Klammern über Inklusions- und Exklusionsprozesse bilden den Rahmen einer Auseinandersetzung um die Eigenständigkeit der Sozialen Arbeit als gesellschaftliches Funktionssystem: Kann die Soziale Arbeit gesellschaftliche Prozesse sozialen Ein- und Ausschlusses eigenständig gestalten, mitgestalten oder beeinflussen?5 Für Baecker gilt, dass die Soziale Arbeit „…nur insofern politisch und rechtlich oder pädagogisch und medizinisch definiert werden kann, als das Funktionssystem der sozialen Hilfe sich auf strukturelle Kopplungen mit den Funktionssystemen des Rechts und der Politik, der Erziehung und der Medizin einlässt“ (Baecker 2001, 1875). Die funktionale Bedeutung Sozialer Arbeit muss entsprechend in diesen Zusammenhängen verwirklicht werden, um den für sie erforderlichen Ressourcentransfer ermöglichen zu können.

Die Analyse der Leistungen der Sozialen Arbeit für die anderen Teilsysteme der Gesellschaft ist auf der Ebene der Organisationen verankert. Für Kleve (1997) dient das Schema Inklusion/Exklusion sowohl der Theoriebestimmung als auch der Organisationsbestimmung. Auf der Organisationsebene können die Leistungen bezüglich Inklusion und Exklusion handlungsfeldbezogen konzipiert und empirisch überprüft werden. Dies unternimmt z.B. Hohm (2003) für soziale Brennpunkte und die Chancen von Sozialpädagogischer Familienhilfe. Bommes (2001) fokussiert soziale Ungleichheit, indem er das Dreieck von Organisation, Inklusion und Verteilung zum Gegenstand der Analyse macht.

Das Schema Inklusion/Exklusion kann als Folie zur Reflexion der Sozialen Arbeit auf verschiedenen Ebenen genutzt werden. Neben dem Thema Autonomie der Profession und der Professionellen werden grundsätzliche Zusammenhänge diskutiert, wie etwa der von Person und Sozialpädagogik (Cleppien 2000), die Genese von Klienten (Eugster 2000), das Verhältnis zur Selbsthilfebewegung (Weber/Hillebrandt 1999) oder das Eigeninteresse der Sozialen Arbeit an Ordnungsschemata (Treptow 2002). Wird Inklusion/Exklusion als Beobachtungs- und Handlungsdimension von Organisationen gefasst, können die Kategorien Bestandteil methodischer Analysen werden, z.B. für die Themen Erfolg (Bommes/Koch 2004) oder Hilfe und Kontrolle (Hosemann/Geiling 2005). Eine grundsätzlich andere Position vertreten Hillebrandt (2004) und Anhorn/Bettinger (2005). Sie halten die systemtheoretische Unterscheidung von Inklusion und Exklusion nicht für hinreichend, um die soziale Wirklichkeit und die Aufgaben der Sozialen Arbeit zu erfassen. Anhorn/Bettinger plädieren für eine kritische Nutzung der Debatte und halten Partizipation als Leitbegriff für tragfähiger.

Die Einwände sind gewichtig und ernst zu nehmen, trotzdem soll hier die weitere Argumentation von der These ausgehen: Das Inklusion/Exklusions-Schema enthält ein erhebliches Potenzial zur Gesellschaftsanalyse und –kritik.6 Es lässt sich nutzen, um zu fragen, wer aufgrund welcher Merkmale ausgeschlossen wird bzw. wer welche Merkmale vorweisen muss, um für relevant erachtet bzw. aufgenommen zu werden. Die Regeln für Inklusion und Exklusion lassen sich zeitlich, sachlich und sozial aufgliedern, jeweils konkret bestimmen und in sozialen Räumen verankern. Weil soziale Zugehörigkeit oder persönliche Verhaltensweisen die Analysen nicht begrenzen, sondern eingeschränkte Teilhabemöglichkeiten thematisiert werden, sind Anschlüsse an Theorien sozialer Ungleichheit, des sozialen Raumes und ungleicher Machtverteilung möglich. Die zeitliche Begrenzung der Teilhabemöglichkeiten erlaubt es, die Dynamik des sozialen Wandels zu erfassen. Individuelle Verläufe von Inklusions- und Exklusionslagen lassen sich unter einem zeitlichen Aspekt als Biographien nachzeichnen (vgl. Schefold 2001) und auf ihren gesellschaftlichen Gehalt beziehen (vgl. Bommes 2001). Schon der Grundgedanke von Relevanz, die über Organisationen vermittelt wird und nach der Menschen nur in Ausschnitten vorkommen, lässt sich (gesellschafts)kritisch lesen.

Werden professionelle Handlungsverläufe konkret analysiert, leistet das Schema Erhebliches. Für die Soziale Arbeit als zentrale Instanz des Sozialstaates ist die Gestaltung würdiger oder demütigender Teilhabe an Hilfsmaßnahmen (siehe Margalit 1997) ständige Praxis. Dabei wird die Notwendigkeit einer praktischen und theoretischen Reflexion im Hinblick auf die eigenen Inklusions- und Exklusionsregeln der Sozialen Arbeit deutlich. In ihren Organisationsprozessen begegnet die Soziale Arbeit auch immer sich selbst, ihren Zielsetzungen, Normen und Werten. Zur notwendigen Selbstbeobachtung und –reflexion ist eine Differenz erforderlich, die mit Hilfe einer systemtheoretischen Perspektive und Sprache (Cleppien 2002) und mit einem Eingehen auf den Alltag und die Lebenswelt der Adressaten geschaffenwerden kann. Die abstrakte Form des Inklusion/Exklusions-Schemas erlaubt, das Konzept auf verschiedene Zusammenhänge, Kontexte und Ebenen anzuwenden. Treptow (2002) sieht darin einen Vorteil für kontrastreiche Analysen und die Gefahr, dass die beiden Begriffe im Sinne einer unstillbaren Sehnsucht nach einfachen Ordnungsmöglichkeiten verwendet werden. Die Ambivalenz ist kaum aufzuheben: Was an Eindeutigkeit fehlt, kann als Voraussetzung für Zugewinn im konkreten Design der Analyse begriffen werden. Die Gleichzeitigkeit von dazugehören und ausgeschlossen sein (die reale Fragmentierung) und die Spannungen (Macht- und Einflussverhältnisse) zwischen den verschiedenen Ebenen und Bereichen gesellschaftlicher Differenzierung werden nachvollziehbar. Die Aufgaben der Sozialen Arbeit in den Helfer-Klienten-Systemen lassen sich vor diesem Hintergrund als Beitrag zu einem Seitenwechsel von Exklusion zu Inklusion und von Inklusion zu Exklusion beschreiben. Die Aufgaben für die Gesellschaft können übergreifend so zusammengefasst werden, dass Soziale Arbeit soziale Adressen für die Inklusion und Exklusion von Personen markiert und gestaltet.7

 

2.2 Inklusion und Exklusion als Rahmung für Handlungskonzepte Sozialer Arbeit

 

Die Konstruktionen von Handlungskonzepten auf systemtheoretischer Grundlage, die sich mit gesellschaftlichen Veränderungen auseinandersetzen und dabei direkt oder indirekt auf die Problemstellung Inklusion/Exklusion Bezug nehmen, haben an Bedeutung gewonnen und unterschiedliche Positionen hervorgebracht. Die Hinweise hier können diese nicht angemessen nachzeichnen, sondern sollen exemplarisch das Themenspektrum beleuchten. Für Kleve (1997) ist die Soziale Arbeit prinzipiell in ihren handlungstheoretischen Dimensionen zwischen Inklusion und Exklusion verankert. Ritscher (2002) und Miller (2001) nutzen für ihre Definitionen der Aufgaben der Sozialen Arbeit - Ausgrenzung entgegenzuwirken und  Teilhabeprobleme     zu      lösen     -      die      von     Staub-Bernasconi      entwickelten Analyseschemata   der    Problemlagen   (Ausstattungs-,   Austausch-,   Macht-     und Kriterienprobleme).   Um    weitere   Präzisierung  bemüht,   greift    Ritscher   auf   die Handlungsformanalysen von Lüssi (1992) und Miller auf die Rollenanalysen von Hohm (2000) zurück.

Hohm (2000) verbindet das Inklusion/Exklusions-Konzept mit einem an Luhmann angelehnten Rollenkonzept. Das Schema von primärer und sekundärer Inklusion/Exklusion, bezogen auf Laien- und Leistungsrollen, erlaubt ihm die Beschreibung von Ansatzpunkten für die Soziale Arbeit bei einer gesellschaftlichen Entwicklung, die er durch zwei Prozesse gekennzeichnet sieht: einerseits durch eine horizontale Matrix von Funktionssystemen mit Organisationen und eine formale Differenzierung in Programme, Rollen und unpersönliche Erwartungen, andererseits durch Tendenzen hin zu pluralen Milieus mit stärkeren Resonanzen für den Aufbau sozialer Strukturen durch persönliche Erwartungen und Werte (vgl. Hohm 2000, 135). Für die Soziale Arbeit folgt daraus, dass Inklusionen in formale Strukturen als fragil und riskant zu begreifen sind, und weiter: trotz ihrer generell verbindlichen Bedeutung hängen Zugänge in gesteigertem Maße von den Leistungen der Personen ab. Zu berücksichtigen sind vorangegangene Inklusionen/Exklusionen, d.h. eine Inklusionsgeschichte (z.B. Sprach- und Sozialkompetenzen und Bildung als Voraussetzung von Erwerbsmöglichkeiten, aber auch emotionale Bindungen an wichtige Menschen aus der Biografie). Die Angewiesenheit auf Inklusionen in soziale Nahräume, Netze und Milieus enthält einen stummen Zwang zur sozialen Disziplinierung sowie das permanente soziale Risiko, dass Ausschlüsse drohen. Soziale Arbeit kann vor diesem Hintergrund die Funktion der Interdependenzunterbrechung wechselseitiger Exklusionssteigerungen übernehmen und ist dabei in einem besonderen Maße auf das Eintauchen in soziale Milieus angewiesen.

Merten/Scherr (2004) gehen in ihrem Sammelband insbesondere der Frage nach, wie weit sich das Begriffsdual Inklusion/Exklusion eignet, um die Problematik gesellschaftlicher Ungleichheit zu erfassen. Hillebrandt (2004) kritisiert, dass sich mit dem Begriffsdoppel nur der Verstärkereffekt sozialer Ungleichheit beschreiben lässt und die Kräfteverhältnisse zwischen sozialen Positionen systematisch verfehlt werden. „Dazu muss Ungleichheit auf die durch Macht- und Herrschaftsstrukturen geprägte Lebenswirklichkeit der sozialen Akteure bezogen werden, die sich in kulturellen Repräsentationen widerspiegelt“ (ebd., 139). Im selben Band plädiert Kleve dafür, die Kategorien Integration/Desintegration und Inklusion/Exklusion nicht alternativ zu betrachten, sondern im Rahmen eines begründeten „Sowohl – Als Auch“ zu nutzen.

Anhorn und Bettinger (2005) stellen soziale Ausschließung und Handlungsorientierungen der Sozialen Arbeit in den Mittelpunkt ihrer Analysen. Sie setzen sich kritisch mit einem Verständnis der Inklusionsdebatte auseinander, das vorzugsweise die horizontale Dimension einer Innen/Außenspaltung thematisiert und die Frage sozialer Ausschließung auf … „die Frage eines individuell zu bewerkstelligenden ‚Grenzübertritts’ von Draußen ins Drinnen“ … (ebd., 24) reduziert. Sie befürchten, dass die Strukturen und Prozesse, die kontinuierlich soziale Ausschließung generieren, unthematisiert bleiben und fordern von der Sozialen Arbeit: …“die von ihr übernommenen oder selbst erzeugten Wissensbestände systematisch im Hinblick auf mögliche, nicht-intendierte Ausschließungseffekte zu untersuchen“ (ebd., 39).

 

3. Inklusion/Exklusion als Kategorien von Organisationen Sozialer Arbeit

 Die systemtheoretische Fassung der Inklusions-/Exklusionsproblematik bedingt, die analytischen Bezüge von Funktions- und Organisationsebene zu differenzieren und vor allem Fragen nach den beobachtbaren Mustern von Organisationen zu stellen. Mit dieser Analyserichtung kann auf die interne Verarbeitung von Informationen, Entscheidungen, Organisations- und Entscheidungsgeschichten und auf die Positionen von Personen abgestellt werden, die Entscheidungen über Inklusionen treffen. Im Anschluss werde ich deshalb folgenden Thesen nachgehen: Inklusion und Exklusion sind an Beobachtungen gebunden und verweisen auf Entscheidungen. Diese Betrachtung realisiert ein reflexionsbasiertes Verständnis Sozialer Arbeit (Dewe/Otto 2002) und schärft den Blick für konkrete Entscheidungen von Organisationen mit ihren Folgen für Adressaten, Klienten, Nutzer der Sozialen Arbeit sowie die Mitarbeiter und das eigene Leistungspotenzial.

Aus einer systemischen Perspektive ist es angemessen, Inklusion/Exklusion als Form der Beobachtung zum Ausgangspunkt der weiteren Analysen zu machen. Der Differenzbegriff Luhmanns, auf dem die systemtheoretische Fassung der Differenz Inklusion/Exklusion beruht, fußt in der Unterscheidungslogik Spencer-Browns (vgl. Spencer-Brown 1969). Unterscheidungen verlangen nach einem Beobachter, der sie trifft. So sind auch Prozesse der Inklusion/Exklusion nach systemtheoretischer Logik keine Faktizität moderner Gesellschaft, sondern entstehen durch die Beobachtung beobachtender Systeme. „Inklusion muss man demnach als eine Form begreifen, deren Innenseite (Inklusion) als Chance der sozialen Berücksichtigung von Personen bezeichnet ist und deren Außenseite unbezeichnet bleibt. Also gibt es Inklusion nur, wenn Exklusion möglich ist“ (Luhmann 1998, 620f.). Inklusion beschreibt demnach eine Form der Teilhabe von Personen an sozialen Systemen, die der fortwährenden Beobachtung und Entscheidung bedarf und daher nicht als statisch aufgefasst werden kann. Soziale Systeme konstituieren ihre Grenzen über die fortlaufende Kontinuierung ihrer leitenden Differenz; dies macht es erforderlich, Anschlüsse über Personen und Organisationen dauerhaft zu suchen, zu überprüfen und auch wieder aufzulösen. Inklusion und Exklusion können deshalb in ihrer Form über Kontinuität/Diskontinuität analysiert werden.

Auf der Ebene der Organisationen löst sich die Zweiwertigkeit des Konzepts Inklusion-Exklusion über die Ausdifferenzierung der Sinndimensionen in eine sachliche, zeitliche, soziale und räumliche Variante auf. Dies erleichtert es, in Abstufungen9, Teilbereichen, Prozessen und Strukturen zu analysieren. Vor allem: ein ausdifferenziertes Konzept begünstigt, die sozialen Beziehungen zu erfassen, Inklusion und Exklusion zeitgleich zu denken und von zahlreichen parallelen Inklusionen und Exklusionen auszugehen. In einem Handlungszusammenhang (einer Sachdimension) besteht die Möglichkeit, die Relevanz einer Person für das bezeichnende System zu erkennen und zeitgleich ist zu beobachten, dass diese Person als exkludiert behandelt wird. Im Vollzug der Sozialen Arbeit wird der Doppelcharakter deutlich, Inklusions- und Exklusionsprozesse zeitgleich wahrzunehmen und organisieren zu müssen: ein Prozess läuft auf Exklusion, ein anderer auf Inklusion hinaus. Dies ist für die Soziale Arbeit kennzeichnend: Exklusion aus Familien, Sozial- oder Schulsystemen und Inklusion in andere Familien-, Sozial-und Erwerbssysteme zu begleiten, zu moderieren oder zu ermöglichen. Soziale Arbeit vollzieht den widersprüchlichen Prozess eines ‚Drinnen-Seins’ derjenigen, die ‚draußen’ sind. Sie ist das gesellschaftliche System, das über die notwendigen Zeit-, Raum- und Sachdimensionen verfügt, um Exklusionsdrifts von Einzelnen oder sozialen Gruppen zu dokumentieren, zu analysieren und ihnen potenziell entgegenzuwirken. Werden soziale Problemstellungen für Gruppen oder Belastungen von Einzelnen von der Sozialen Arbeit nicht wahrgenommen und kommuniziert, ist für die Betroffenen ein weiterer Ausgrenzungsprozess wirksam (zum Beispiel, wenn Soziale Arbeit die Folgen von sexuellem Missbrauch als soziale Verwahrlosung fasst oder sozialen Protest als Devianz).

 Daher ist auch das Theoriedesign Inklusion/Exklusion selbst kritisch zu sehen. Kronauer (1998, 2002) hat auf die unterschiedlichen Verwendungen (zeitlich wie sachlich) des Begriffspaares in der Systemtheorie Luhmanns verwiesen. Zum einen wird Exklusion als Voraussetzung für Inklusion in Funktionssysteme betrachtet, zum anderen wird mit dem gleichen Begriff der Ausschluss von Personen aus Funktionssystemen in seiner sozialen Wirkung thematisiert. Er beschreibt dann Phänomene gesellschaftlicher Nicht-Teilnahme und sozialer Ungleichheit. Daran anknüpfend hat Merten (2001) die exakte Reflexion der Begriffe Inklusion und Exklusion für die Bestimmung der Autonomie und der Handlungsvollzüge der Sozialen Arbeit gefordert. Er macht darauf aufmerksam, dass die Bezeichnung Inklusion eine systeminterne Bestimmung ist und nur zur Ordnung der innersystemischen Bestimmung verwendet werden sollte. Merten will zeigen, dass eine Anlage der Unterscheidung Inklusion/Nicht-Inklusion notwendig ist, um eine Systemgrenze ziehen zu können. Erst dann kann eine Inklusion in innersystemische Kommunikation stattfinden. Für die Autonomie der Sozialen Arbeit ist bedeutsam, dass Inklusion in der Differenz Inklusion/Nicht-Inklusion gedacht wird. Sie ist nur handlungsfähig, wenn sie über geeignete Möglichkeiten, Nicht-Inklusionen zu vollziehen und zu legitimieren, verfügt. Anhorn (2005) hat auf die Gefahren eines diffusen Gebrauchs der Begriffe „Exklusion/Ausgrenzung“ hingewiesen. Sie ermöglichen Dramatisierungseffekte und sie sind in der Form instrumentalisierbar, dass bei der Gewährleistung von Hilfe - wie aus der Geschichte der bürgerlichen Armenfürsorge bekannt - nach ehrlichen und unehrlichen, würdigen und unwürdigen Bedürftigen unterschieden wird.

 

3.1 Management von Inklusion und Exklusion

 Organisationen Sozialer Arbeit versuchen die Chance der Re-Inklusion potenziell oder tatsächlich sozial beeinträchtigter/beschädigter Personen zu erhöhen. Dieseaufgabenbeschreibung  ist  noch  um  den  Erhalt  bestehender  Inklusionen,  das Ermöglichen erwünschter Exklusionen und um die Gestaltung eines würdevollen Lebens mit Exklusionen zu erweitern.

Dieses Theoriedesign der Aufgaben ist funktionslastig, bisher noch analytisch asymmetrisch auf die professionellen Akteure der Sozialen Arbeit ausgerichtet und durch einen groben Auflösungsgrad gekennzeichnet (siehe dazu Baecker 2000, Merten 2001 und Merten/Scherr 2004). Trotz dieser Einschränkungen möchte ich das Konzept Inklusion und Exklusion weiter verfolgen und Reflexionsperspektiven entwerfen. Dazu orientiere ich mich an den Fragen: Wie stellen Organisationen ihre Kommunikation auf Inklusion und Exklusion ab? Wie verlaufen die Prozesse von Inklusion und Exklusion in Organisationen?

Zu den Ebenen, auf denen Organisationen Inklusion und Exklusion handhaben. Vorab soll betont werden: Dadurch, dass in ihren Organisationen Inklusion und Exklusion thematisiert, definiert, vollzogen und reflektiert wird, geschieht etwas für die Soziale Arbeit Typisches: Das Soziale gerät in den Mittelpunkt. Dies markiert einen deutlichen Unterschied zu erziehenden, helfenden oder heilenden Professionen. Die Organisationen der Sozialen Arbeit müssen Inklusion zumindest in dreifacher Hinsicht als Referenz sorgfältig beachten:

 

  • zu verschiedenen Funktionssystemen wie Soziale Arbeit, Bildung, Wirtschaft, Recht, Politik, Gesundheitswesen usw.,
  • zu den Adressaten, die man erreicht hat und die man zu erreichen beabsichtigt,
  • zu den eigenen Mitgliedern der Organisation, die in von außen nur schwer kontrollierbaren sozialen Beziehungen die Ziele der Organisation mit den Zielen der Adressaten verbinden sollen.

Mit dem Konzept Inklusion kann das Verhältnis von individueller Lebenslage und gesellschaftlicher Organisation analysiert werden. Organisationen haben in modernen Gesellschaften die Funktion übernommen, Individuen im sozialen Raum zu positionieren. Die Moderne ist geprägt davon, materielle Versorgung, politische Partizipation, Erwerb von Bildung, Konsum von Kultur, die Inanspruchnahme öffentlicher und privater Fürsorge, die Versorgung mit rechtlichen Erwartungssicherheiten und Konfliktlösungen, die Produktion von Wissen usw. durch spezifische institutionelle Arrangements - durch Organisationen - abzudecken. Die Inklusion in die Gesellschaft geschieht also in erster Linie über Organisationen (vgl. Nassehi 1999, 141f.). Dies ist für die Soziale Arbeit höchst folgenreich und verlagert die Aufmerksamkeit eher auf das Verhalten von Organisationen als auf Personen.

Keine Organisation im Bereich eines Funktionssystems zieht alle Operationen des Funktionssystems an sich. „Medizinische Behandlung findet nicht nur in Krankenhäusern statt“ (Luhmann 1998, 841). Demnach spricht private, ehrenamtliche oder auch professionelle Hilfe (Arzt, Pfarrer u.a.) nicht gegen die Annahme eines Funktionssystems Soziale Arbeit. Funktionssysteme behandeln (vor allem beanspruchen) Inklusion als den Normalfall, für Organisationen ist Exklusion der Normalfall. Nur mit Hilfe der Organisationen können Funktionssysteme ihre eigene Offenheit für alle (entsprechend einer Publikumsrolle) regulieren. Dieser Unterschied in der Art und Weise der Systembildung ermöglicht, beides zu praktizieren: Inklusion und Exklusion, d.h. Inklusion in das Funktionssystem und Exklusion als Grundform für Organisationen. Dieser Unterschied beginnt sich auszuwirken - besonders im politischen System, und zwar in Form von Ressentiments gegen das, was dem Einzelnen als Resultat organisationsbezogener Entscheidungsprozesse zugemutet wird (Gesundheitswesen, Arbeits- und Sozialverwaltungen). Diese Differenz wird aber auch zusehends für die Soziale Arbeit zum Problem: Das Vertrauen in den Sozialstaat schwindet, wenn die konkrete Erfahrung mit der dafür zuständigen Organisation Exklusion darstellt. Aber auch, wenn die Modalitäten, in denen Inklusions- und Nichtinklusionsprozesse realisiert werden, als persönliche Demütigung und als Ausschluss emotionaler Erfahrungen wahrgenommen werden. Die möglicherweise folgende innere und äußere Distanzierung der Adressaten bedroht nun genau die Basis des Anspruchs der Sozialen Arbeit: Inklusion vermitteln zu können.

 Wie verlaufen die Prozesse von Inklusion und Exklusion in Organisationen?

 Über Hilfe - die Form, in der Inklusion oder Exklusion Gestalt annimmt - wird prinzipiell zweimal entschieden: Zunächst durch die Etablierung eines Programms (übertragen in Ansätze, Konzepte, Methoden und die Ausrichtung an Adressatengruppen) und die Zuordnung des Einzelfalls als zum Programm passend. Programme sind Entscheidungen zweiter Ordnung (Entscheidungen, die Entscheidungen prozessieren). Sie werden auf einer logisch höheren Ebene stabilisiert und gegen Einzelfälle immunisiert; denn Einzelfälle widerlegen nicht die Angemessenheit oder die Ziele des Programms. Programme müssen daher in anderer Form evaluiert und reflektiert werden als Einzelfälle.

Der zweite zentrale Konstruktionsvorgang bezieht sich auf eine mehrstellige Konstellation, denn zum Programm und zum Einzelfall tritt das Erfordernis der Organisation (vor einem sozialpolitischen und sozialregionalen Kontext). Vor diesen Hintergründen ist die Basis der Hilfe die Konstruktion eines deckungsnahen Musters zwischen den verschiedenen Bezugslinien, welches zeitlich, sachlich und sozial stabilisiert werden kann. Die jeweiligen Freiheitsgrade auf den Ebenen Programm oder Einzelfallzuordnung sind je nach Arbeitsfeld und Organisation unterschiedlich strukturiert. Deshalb ist die pauschale Beschreibung der Sozialen Arbeit von Stichweh (2005, 22), als nur mit subordinierter Partizipation an den Perspektiven anderer Funktionssysteme ausgestattet zu sein, unangemessen und steht im Gegensatz zur empirischen Wirklichkeit in den zentralen Feldern der Sozialen Arbeit. In Organisationen der Sozialen Arbeit ist angesichts der Komplexität der sozialen Situation und der Unvorhersagbarkeit der personalen Beziehungen die angesprochene Konstruktionsleistung an Personen gebunden. Personen werden in Organisationen immer als soziale Adressen und nicht als Menschen inkludiert. Dieshat zur Folge, dass niemand in all seinen Eigenschaften, Befindlichkeiten und Ideen inkludiert wird. Sowohl die Mitglieder als auch die Adressaten einer Organisation werden hinsichtlich ihrer Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt; damit wird Komplexität reduziert. Da Personen in Organisationen jedoch auch als Akteure wirken - siehe die Erstellung (Konstruktion) eines tragfähigen Musters - müssen Organisationen unter ‚kalkulierter Humanität’ (so Luhmann 2000) operieren: d.h. die durch den ‚Menschen’ hereingebrachten Unwägbarkeiten, Interessen, Gefühle usw. müssen in einem bestimmten Maße toleriert werden. Vor diesem Hintergrund werden Mitglieder von Organisationen als Personen zu Trägern der Entscheidungen über Inklusion und Exklusion.

Der damit vorhersagbar entstehenden Überforderung wird u.a. durch die Herausbildung von Leistungs- und Publikumsrollen entgegengewirkt. Der organisatorische Rahmen, in dem diese Leistungs- und Publikumsrollen erstellt werden können, ist eine durch die strukturelle Bindung an Ressourcen beeinflussbare Größe und Kontur. So sind die über Leistungsrollen erbrachten Modalisierungen von Inklusionen (Exklusionen) von den aktuellen gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Entscheidungen betroffen. Eine andere Perspektive besteht darin, aufwandsärmere Formen der Inklusionen (Exklusionen) zu finden. Damit droht die Gefahr eines Auseinanderdriftens von Organisationen und Adressaten, bei dem die ‚schwierigeren Fälle auf der Strecke bleiben’ oder in den vorgängigen Inklusionsmustern der Organisation als ‚Nicht-zu-Inkludierende’ markiert werden (creaming the poor).-     Exklusionen Erwartungen an Institutionen der sozialen Hilfe hervorrufen können und als solche geltend gemacht werden;- Exklusionen personen- sowie zeit- und raumbezogen kumulieren können.

Bei der Suche nach einem personenbezogenen Weg, um die soziale Situation der Klienten mittels Inklusion zu bearbeiten, werden soziale Probleme zu konkreten Anspruchsberechtigungen individualisiert (vgl. Nassehi 2003, 109). Nassehi erhebt generell den Vorwurf an die Funktionssysteme, sie würden dazu beitragen, dass Individuen die Reflexionsform Individualität herausbilden. „Die reflexive, in diesem Sinne ihre eigene Einheit außerhalb der Funktionssysteme herstellende Individualität von Individuen ist geradezu die Bedingung für das Funktionieren der modernen Gesellschaft und reflektiert in vielfältigen Programmen von Funktionssystemen“ (Nassehi 2003, 108). Dies würden sie allerdings verdeckt halten, damit Individuen sich ihre Individualität selbst zurechnen können und entsprechend mit Verantwortung belastet werden können. Vor dem Hintergrund der Differenzierungsform der Gesellschaft (konkret: ihres Profils an Exklusionen/Inklusionen) werden Individuen über eine Exklusionsindividualität sichtbar, weil sie in ihrer Individualität nicht mit den gesellschaftlichen Differenzierungsformen übereinstimmen, z.B. ihren sozialen Bindungen Vorrang geben und ihren Wohnort nicht verlassen wollen obwohl das Angebot an Vollerwerbsplätzen nicht ausreicht.

Um Exklusions-/Inklusionsverhältnisse beeinflussen zu können, müssen Organisationen soziale Adressen inkludieren. In Organisationen Sozialer Arbeit werden diese vorrangig als Personen inkludiert. Die Umstellung von einer fallbezogenen auf eine situations- oder feldbezogene Logik ist entsprechend schwer zu vollziehen. Soziale Situationen, Gruppenprozesse oder Kommunikationsmuster können leichter über Personen zugerechnet werden. Die Perspektive auf Personen hat zur Folge, dass soziale Situationen erst aufgelöst werden, um dann wieder über Inklusions- und Exklusionsprozesse rekonstruiert und interventionsbezogen aufbereitet zu werden. Über das Konzept Person wird der breite Raum der Kontingenz kommunikativer Prozesse übersichtlicher strukturiert. So wird der Verhaltensspielraum psychischer (und biologischer) Systeme eingeschränkt und Verhalten erwartbar gemacht. Das erfordert zum Teil nötigenfalls, der zu bleiben, der zu sein man vorgegeben hat (vgl. Luhmann 1991, 171). Für Klienten gestaltet es sich von daher evtl. als schwierig, die soziale Adresse als Hilfsbedürftiger aufzugeben, da eigentlich personenkonformes Verhalten erwartet wird. Bei langjährigen Klientenkarrieren kann zum Teil beobachtet werden, dass Klienten wissen (gewusst werden), was von ihnen verlangt wird, um in eine Hilfsorganisation inkludiert zu werden und zu bleiben.Organisationen Sozialer Arbeit bieten insbesondere dann für Klienten zum Teil in sich widersprüchliche Anschlüsse an - eine Defizitbeschreibung und eine Leistungserwartung -, wenn sie von ihnen Veränderungen erwarten. Dies wird von einigen Adressaten als unzumutbar empfunden, als Kolonialisierung, als Machtmissbrauch und provoziert entsprechend abwehrende Kommunikation. Eine Möglichkeit, um dies aufzulösen, besteht darin, zwischen Individuum, Person und Kommunikation zu unterscheiden und die Erwartungen an Inklusion/Exklusion kleinformatiger und prozesshaltiger zu gestalten, – eine andere besteht darin, die größeren sozialen Zusammenhänge öffentlich und unter der Beteiligung relevanter Akteure des sozialen Raumes zu thematisieren. Die Entscheidung einer sozialen Organisation, Formate für Inklusionen/Exklusionen zu ändern (z.B. Betreuungsstandards zu reduzieren), kann einem sozialen Prozess folgen und gleichzeitig einen Exklusionsdrift der Adressaten fördern.

Organisationen regeln die Offenheit von Funktionssystemen und ermöglichen somit beides: Inklusion und Exklusion. Das Besondere an Organisationen Sozialer Arbeit ist, dass sie zu den wenigen zählen, die in den meisten Fällen eine Inklusion mit demZiel einer Exklusion aus der Organisation vornehmen (im Gegensatz zu Banken und Parteien, die die Inklusion ihrer Kunden bzw. Wähler aufrechterhalten wollen). Der Zugang zu neuen Klienten ist unter Konkurrenzbedingungen jedoch beschränkt. Das führt zu Problemen der Organisation; z.B. wenn die Fachleistungsstunden und die Tagessätze abgesenkt werden, bringt die Entlassung von Klienten häufig deutliche finanzielle Einbußen für die Organisation mit sich. In Organisationen Sozialer Arbeit ist nicht nur hilfespezifische Kommunikation relevant, sondern die Inklusions- und Exklusionsangebote für Adressaten spiegeln auch die selbstreferenten Bezüge der Organisation wider.

4. Perspektiven

Die möglichen gesellschaftlichen Bereiche, in denen Soziale Arbeit Inklusions- und Exklusionsangebote realisiert, werden durch Beiträge zu sozialpolitischen Diskursen sowie Programme und Konzeptionen der Sozialen Arbeit erschlossen. Die Auseinandersetzungen um sozialstaatliche Leistungen verdeutlichen, dass Transferleistungen und Ressourcenmobilisierung der Sozialen Arbeit einerseits von ihren wechselseitigen Beziehungen zu anderen gesellschaftlichen Systemen wie Politik, Medien, Wirtschaft und Recht abhängig sind - andererseits von ihren Beziehungen zu ihren Adressaten. Betrachtet man die Geschichte der Sozialen Arbeit oder bestimmter Arbeitsfelder, lassen sich sowohl die Veränderungen der Beziehungen zu den Adressaten erkennen als auch die zu gesellschaftlichen Funktionssystemen, z.B. der Religion, der Politik oder der Medizin. Der gesellschaftliche Diskurs um soziale Teilhabe und Ausgrenzung im Sinne eines „sozialen Bewusstseins“, an dem sich die Soziale Arbeit aktiv beteiligt, bildet das Umfeld und den Stoff, aus dem Entwicklungspfade für die Soziale Arbeit hervor gebracht werden können. Einige Markierungen für die Diskussion über die zukünftige Entwicklung sollen hier benannt werden.

Die Funktion Sozialer Arbeit, Prozesse der Inklusion und Exklusion zu bearbeiten, wird notwendiger.

Die Grenzen der Leistungsfähigkeit des Sozialstaates bei steigenden Einkommensunterschieden, hoher Arbeitslosigkeit und sozialen Verarmungs- und Ausschlussprozessen stellen für die Soziale Arbeit eine veränderte Ausgangssituation dar. Sozialstaatliche Konzepte, die Armut und sozialer Ausgrenzung über die Integration in den Arbeitsmarkt entgegenwirken wollen, treffen auf strukturelle Schwierigkeiten und Nebenfolgen: die Reduktion und Verschiebung des gesellschaftlichen Arbeitsvolumens, die Konkurrenz der Arbeitspreise in Diktaturen und Armutsregionen, die Ungleichheiten zwischen Lohnabhängigen und Eigentümern von Besitz und Kapital, die Abwertung unbezahlter Arbeit (Haus-, Familien- und Erziehungsarbeit) und die damit verbundenen geschlechtsspezifischen Benachteiligungen, den strukturellen Ausschluss von Menschen ohne reale Zugangschancen zum Arbeitsmarkt (aufgrund von Herkunft, Alter, Krankheit, regionaler Bindung). Eine Reduktion des Sozialen auf ökonomische Kategorien (wie Tauschwerte und Marktlogiken) setzt sich in den privaten sozialen Beziehungen fort und verringert die Perspektiven wechselseitiger Anerkennung.

Die Entscheidungen zur Inklusion von Personen werden von den Organisationen der Funktionssysteme gefällt: mit der Folge, dass die generellen Versprechungen von Teilhabe, Chancengleichheit und sozialer Gerechtigkeit auf der strukturellen Ebene der Organisationen nicht eingelöst werden können. Die Organisationen müssen ihren eigenen Verpflichtungen und Ausrichtungen folgen. Darüber hinaus können die Probleme sozialer Ungleichheit und die Destabilisierung von Lebenslagen nicht linear auf die Differenzierung der Funktionssysteme reduziert werden. Die De-Zentrierung sozialer Konflikte steht simplen Steuerungsvorstellungen entgegen. Die Grenzen der bisher gültigen Antworten werden ebenso deutlich wie die Notwendigkeiten für Lösungsstrategien. Als ein Reaktionsversuch darauf kann gesehen werden, generell die staatlichen Sozial- und Gerechtigkeitsverpflichtungen zurückzudrängen.16 Die neuen gesellschaftlichen Erwartungshaltungen wie Selbstmanagement, Ökonomisierung der eigenen Arbeitskraft, lebenslanges Lernen, aktives Altern lassen sich als Prozess interpretieren, „im Zuge dessen Werte wie Selbstbestimmung und Eigenverantwortung einseitig in den Dienst gesellschaftlicher Ansprüche an das Individuum genommen werden, deren Nichterfüllung wiederum sozial geächtet wird“ (Lessenich 2003, 218).

Vor diesem Hintergrund wird die dreifache Begründung Sozialer Arbeit aktualisiert und dabei sowohl ihre gesellschaftliche Notwendigkeit als auch ihre prekäre Stellung deutlich: 1. Die Bundesrepublik Deutschland ist gemäß Grundgesetz ein sozialer Rechtsstaat - die Soziale Arbeit übernimmt die Aufgabe, dies zu realisieren und die notwendigen Kontakte und Informationen zu erstellen. 2. Die Legitimation unserer Verfassung ergibt sich aus den Möglichkeiten der Teilhabe der Bürger, die sozialen Rechte ermöglichen die liberalen Abwehrrechte und die Realisation der politischen Rechte - die Voraussetzungen für Konflikt- und Konsensfähigkeit werden durch Beiträge der Sozialen Arbeit geschaffen und unterstützt. 3. Der wirtschaftliche und soziale Wandel ist für viele Organisationen und Familien in unserer Gesellschaft aufwandsarm möglich - weil die Voraussetzungen, Schwierigkeiten und Nebenfolgen von der Sozialen Arbeit übernommen werden.

Die Debatte um Inklusion und Exklusion vorzugsweise als Exklusionsdiskurs zu führen und auf die potenziellen Adressaten einzugrenzen, schafft sozialstrukturelle Voraussetzungen für die Fortsetzung sozialer Benachteiligungen. Soziale Ausschließung zu thematisieren, kann nur gesellschaftsbezogen gelingen, und dazu müssen die Mechanismen und Effekte (Vorteile) von Inklusionen zur Sprache gebracht werden - und zwar durchaus unterschieden nach Akteursgruppen und mit der Wahrnehmung unterschiedlicher Macht- und Einflussmöglichkeiten. Die sozialen Grundlagen der Demokratie müssen ständig neu geschaffen werden.

Eine Gesellschaftspolitik, deren nationalstaatliches Arrangement von Inklusions- und Integrationsprozessen wesentlich auf Teilhabemöglichkeiten an Organisationen beruht, die diese aber erklärtermaßen insbesondere im Erwerbs- und Bildungssystem flexibilisieren will, gerät in ein Dilemma:

-  Die zeitliche und räumliche Begrenztheit auf spezielle Organisationen oder kommunikative Arrangements schränken die Inklusionspotenziale ein und lassen einen erheblichen Bedarf an Unterstützungen oder gezielten Ermöglichungen erwarten.

-    Erweiterte Bereiche der Sozialen Arbeit, die Möglichkeiten für Inklusionen zu unterstützen oder Exkludierte stellvertretend in die Soziale Arbeit zu inkludieren, reduzieren wiederum die Flexibilität der anderen Funktionssysteme (z.B. belasten die Wirtschaft mit Kosten, legen die Politik auf überprüfbare Regelungen fest, reduzieren die Möglichkeiten des Medizinsystems, Zuständigkeiten zu reklamieren) und bedingen Ressourcentransfer sowie sozialpolitische Diskurse und Regelungen.

Soziale Arbeit de-adressiert und adressiert Exklusions- und Inklusionskonflikte

Aus einer historischen Perspektive lässt sich belegen: Soziale Arbeit adressiert soziale Konflikte.17 Diese Erfahrungen sind in ihrer aktuellen Bedeutung zu realisieren.

Bettinger (2005) hat in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung sozialpädagogischer Diskurse hingewiesen: diese versorgen Angehörige der Profession mit spezifischen Interpretationsschemata, mit Typisierungen von „Problemen“ und „Fällen“ (ebd., 383). Die Deutungsangebote der Professionellen schränken die Interpretationsmöglichkeiten der Adressaten über ihre soziale Wirklichkeit ein bzw. erweitern diese. 

Welche sozialen Prozesse von Inklusion und Exklusion zum Anlass und als Ausrichtung professionellen Handelns der Sozialen Arbeit genommen werden, wird durch fachliche Diskurse und interne Definitionsprozesse der Sozialen Arbeit

mitbestimmt. Die Möglichkeiten für die Soziale Arbeit, Inklusions-/Exklusionschancen für Klienten zu eröffnen, korrespondieren mit:

-  den Beziehungen zu den Adressaten. Es sind immer zeitgleiche Prozesse der Exklusion und Inklusion beobachtbar, die thematisierte Seite der Form beeinflusst die weiteren Anschlüsse.18

-  den internen Mustern der Interpretation von Konflikten und Lösungsalternativen. Die Zusammenarbeit von sozialen Organisationen bedeutet gleichzeitig einen Ausschluss von anderen Akteuren.

-  den Beziehungen zu den Organisationen anderer Funktionssysteme. Die Gestaltung der Beziehungen zu Organisationen des Rechts, der Religion, der Gesundheit eröffnen Korridore erreichbarer Leistungen für die Adressaten.

Die Zusammenarbeit von Sozialorganisationen mit anderen sozialen Einrichtungen oder Organisationen anderer Funktionssysteme grenzt die Menge der Akteure ein und damit eben auch aus, was die Möglichkeiten für die Klienten einschränkt. Es besteht die Gefahr der Unterbewertung von Konflikten, der Verfilzung und der Intransparenz von Abläufen, sowie dass einzelne Klienten voreingenommen behandelt werden. Die Gefahren beziehen sich in qualitativer Hinsicht auf die Betreuten und insbesondere auf diejenigen, die von Leistungen ausgeschlossen werden. Für Adressaten und Klienten ist das Risiko eines internen Exklusionsdrifts innerhalb der Organisationen Sozialer Arbeit gegeben (van Santen/Seckinger 2003,375f.).

Am Beispiel der Sozialraumorientierung kann dargestellt werden, wie sich veränderte Inklusions-/Exklusionsregeln der Sozialen Arbeit auswirken. Die Sozialraumorientierung soll helfen, dass Personen in Organisationen der SozialenArbeit nicht länger und intensiver inkludiert werden als notwendig. Das Konzept favorisiert die Unterstützung der Inklusion in andere soziale Systeme (Familien, Nachbarschaften, Vereine) und Funktionssysteme (Organisationen der Wirtschaft, Religion, Erziehung, Kunst) mit dem Ziel der Nicht-Inklusion in Organisationen der Sozialen Arbeit. Dies wird möglich, in dem weitaus mehr Personen und Organisationen Relevanz für die Soziale Arbeit erlangen. Firmen, Vereine, regionale Macht- und Einflussträger sollen angesprochen und in den Prozess der sozialen Hilfe unabhängig vom Einzelfall einbezogen werden. Das Ziel der Nicht-Inklusion bzw. Exklusion von Adressaten Sozialer Arbeit wird durch eine erweiterte Inklusion sozialer Systeme und Organisationen erreicht.

Die Gefahren eines externen Exklusionsdrifts können anhand der Sozialraumorientierung veranschaulicht werden: Soziale Arbeit kann auch in den Formen ihrer Organisationen exkludiert werden. Organisationen der Sozialen Arbeit, die nicht wahrgenommen werden oder denen keine relevante Bedeutung von anderen Organisationen oder Einflussträgern beigemessen wird, geraten selbst ins Abseits und können nur eingeschränkt zu Gunsten ihrer Adressaten tätig werden. Die Gefahren eines Exklusionsdrifts bestehen sowohl für Klienten als auch für Organisationen der Sozialen Arbeit. Es ist erforderlich, die Inklusions-/Exklusionsleistungen der Sozialen Arbeit adressatenbezogen, thematisch und sozialräumlich zu reflektieren, um die Anschlussstellen für interne und externe Entwicklungen der Sozialen Arbeit bestimmen zu können.

Die sozialarbeitsinterne Gestaltung der Diskurse sozialer Problemlagen und die Interpretation der gesellschaftlichen Hintergründe beeinflussen die methodischen Handlungsräume, die wiederum dazu beitragen, den Adressatenkreis zu bestimmen.

 Aktuelle  Beispiele,  wie  sich  dieser  Zusammenhang  auf  die  Möglichkeiten  der Inklusionsvermittlung, Verhinderung von Exklusionen oder der Leistungserstellung für Exkludierte auswirkt, lassen sich an der Ethnisierung oder De-ethnisierung von Konflikten, den Interpretationen der Notwendigkeit von materiellen Transferleistungen oder der Kriminologisierung von sozialen Konflikten aufzeigen.

Die Zukunft der Sozialen Arbeit ist eng mit ihrer Stellung zu Inklusion und Exklusion verbunden

Die De-Zentrierung der Gesellschaft durch die Eigenlogiken der Funktionssysteme bietet einen Ansatz zur Erklärung der erstaunlichen Tatsache, dass enorme soziale Unterschiede trotz des politischen Gleichheitsversprechens akzeptiert werden. Funktionssysteme sind auf die Kommunikationsfähigkeit von Organisationen angewiesen, weil sie nicht Adressat oder Sender von Kommunikation sein können.20 Sie müssen deshalb spezielle Organisationen herausbilden, die diese Kommunikationsfunktion als ihre Basis schaffen (z.B. Verbände). Die Bindung an Organisationen hat zur Folge, dass soziale Konflikte als Inklusions- und Exklusionsthemen über Organisationen kommuniziert werden. Sie sind damit von der Beobachtung und Kommunikation einzelner Organisationen abhängig.21 Dadurch entsteht eine Gemengelage organisationsspezifischer Interessen mit der Konsequenz, dass die Organisationen unter den pauschalen Verdacht des Gruppenegoismus gestellt werden können (Miegel 2002). Für die Soziale Arbeit lässt sich daraus ableiten: Eine anwaltliche Funktion der Organisationen der Sozialen Arbeit ist bestreitbar und daher nur eingeschränkt aussichtsreich. Die Vielzahl und die Unterschiedlichkeiten der Organisationen Sozialer Arbeit beeinflussen ihre Möglichkeiten Inklusions-/Exklusionskonflikte fallübergreifend bzw. im Vorfeld zu beeinflussen und bedingen eine spezifisch ausgerichtete Kommunikation.

Nassehi charakterisiert die Entwicklung des Sozialstaats mit dem Hinweis, dass das Problem ‚Inklusion’ politisch gefasst wird: als Antwortstrategie auf Modernisierungsfolgen und fehlende Utopien setzt der Wohlfahrtsstaat auf staatliche Inklusionsvermittlung mittels Anspruchsvermittlungen. Die dafür notwendigen Ressourcen sieht er aber angesichts internationaler Konkurrenz schwinden. Die Individualisierung sozialer Probleme korrespondiert mit einem Arrangement individualisierter Hilfen. Nach seiner Diagnose „ …hat der Wohlfahrtsstaat letztlich das Gemeinschaftshandeln politischer Kollektive durch das je individuelle Verhältnis des Anspruchsberechtigten zum Staat domestiziert“ (Nassehi 2003, 352). Die Soziale Arbeit kann als das gesellschaftliche System beschrieben werden, das sich entlang dieses Transformationsprozesses in seinen Konturen entwickelt hat.

Den Diskursen über thematische Zuschnitte, dem Verhältnis von möglichen Ansprüchen Einzelner an soziale Organisationen und staatlichen Leistungen, dem erwartbaren und notwendigen Welfare-Mix vor Ort kommt im Bereich der Wissenschaft und der Ausbildung der Sozialen Arbeit vor dem Hintergrund dieser Analyse eine hohe Bedeutung zu. Insbesondere die Verschränkung zur Praxis und die Bezüge zu konkreten Lebenslagen verschaffen der Sozialen Arbeit einen Zugang zu sozialen Problemlagen. Sie verfügt über Potenziale, die Passung zwischen kollektivem Handeln und individuellem Erwartungshorizont an sozialstaatliche Leistungen zu beeinflussen. Sie ist für den unmittelbaren Vermittlungsprozess wesentlich mitverantwortlich.

Die Inklusions-/Exklusionsdebatte in der Sozialen Arbeit ist eine Auseinandersetzung über die Funktionsbestimmung der Sozialen Arbeit und ihre Zukunftsperspektiven. Treptow (2002) bilanziert: „…dass funktionale Differenzierung von Gesellschaft durchaus ohne Inklusion geschehen kann, ja verstärkt Exklusion erwarten lässt.“ Skeptisch bleibt er gegenüber der Vorstellung, dass neue Teilsysteme, sprich Soziale Arbeit, das Versprechen von Inklusion über die Prävention oder die Inszenierung von sozialen Milieus einlösen kann. Ebenso scheint es für Galuske (2002, 19) „wahrscheinlich zu sein, dass sich Soziale Arbeit von der Inklusionsvermittlung in eine Form der Exklusionsverwaltung transformiert, deren Aufgabe dann darin besteht, Sozialität und Personalität unter Bedingungen unwahrscheinlich gewordener Inklusion zu ermöglichen.“

Fraglich ist, an welchem Verständnis des Begriffspaares Inklusion/Exklusion oder welcher Interpretation von Integration Soziale Arbeit ihre Fachdiskurse ausrichtet. Nachvollziehbar ist, dass sich gegen die technizistische Sprache und die Gefahren einer administrativen Umsetzung der Aufgabenbeschreibung von ‚Exklusionsverwaltung’ Widerspruch artikuliert. Für die Soziale Arbeit sind die Definitionen von Exklusion und Inklusion dauerhaft von konstituierender Bedeutung, weil sie Titel für Brückenköpfe struktureller Kopplungen zu anderen gesellschaftlichen Teilbereichen sind (vgl. dazu den Nationalen Aktionsplan für Deutschland zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung 2003-2005). Sowohl auf verschiedenen sachlichen und politischen Ebenen als auch in lokalen Entscheidungsszenarien gestaltet Soziale Arbeit die Frage mit: Wo kann die Schaffung von Inklusionsbedingungen für welche Gruppe wem gegenüber wie vermittelt werden? Die Antworten der Sozialen Arbeit auf die Verwerfungen, Verschiebungen und die neuen Profile von Inklusion und Exklusion22 erfordern eine kritisch-reflexive Theorie. Bettinger hat hierzu konkrete Anhaltspunkte benannt (2005, 373). Die für die Soziale Arbeit grundlegenden Probleme der Definition (soziale Problemlage, Programm, Entscheidungs- und Handlungsregeln) sind zugleich Probleme der Kommunikation23 gegenüber Adressaten, Organisationen anderer Funktionssysteme und gegenüber den Organisationen (und deren Mitgliedern) des eigenen Funktionssystems. Denn Soziale Probleme unter dem Aspekt von Inklusion und Exklusion zu fassen, ist eine Option innerhalb der eigenenSystembeschreibungen Sozialer Arbeit.24 Für die Konzipierung dieser Option stehen wiederum - wie die amerikanische Sozialarbeit mit ihren gravierenden Unterschieden zeigt - verschiedene Alternativen zur Verfügung (Pfeifer-Schaupp 2006). So kann Inklusionsmanagement in Bezug auf das Verhältnis von psychischen und sozialen Systemen verstanden werden, mit der Folge der Beachtung von individuellen und familiären Prozessen, therapeutischen Techniken und der Einbettung von Hilfeprozessen in soziale Umgebungen (clinical practice). Die andere Interpretation wird markiert durch die Gewichtung der Interessen an Sozialpolitik, der Gestaltung von sozialen Programmen und der Artikulation von Interessen der Adressaten (vgl. Müller/Otto 1997, Thole/Cloos 2005). Die Ausdifferenzierung der Profession kann entlang des Verständnisses, der Problemnähe, der Bedeutungszuweisung, der Konfliktbereitschaft und der Konfliktverbündeten zum Thema Inklusion/Exklusion analysiert werden.

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