Soziale Gerechtigkeit

Kann man soziale Gerechtigkeit messen?

Aufgrund seiner Thematik ist die Messung von sozialer Gerechtigkeit mit einigen Schwierigkeiten verbunden. Gerechtigkeit wird stark vom subjektiven Empfinden beeinflusst: „Was gerecht ist und was nicht, liegt im Auge des Betrachters bzw. an den Maßstäben, die er oder sie anlegen. Ist also die erbrachte Leistung die entscheidende Kategorie oder der Bedarf? Selbst hierauf werden Viele antworten: ‚Je nachdem’. Tatsächlich ist es nicht ungewöhnlich, dass für verschiedene Bereiche unterschiedliche Gerechtigkeitsprinzipien zugrunde gelegt werden.“ (Piepenbrink 2009, 2). Außerdem gilt es zu berücksichtigen, dass soziale Ungleichheit von der Bevölkerung unterschiedlich wahrgenommen wird (s.o.). Das Ungerechtigkeitsempfinden variiert in den verschiedenen Gesellschaften und ist beispielsweise abhängig von deren Länderstandard, Religion oder den vorherrschenden Normen. Becker/Faik (2010) haben anhand der Daten des Sozioökonomischen Panels (SOEP)für Deutschland ermittelt, dass eine schichtübergreifende Wahrnehmung der wachsenden Polarisierung existiert und soziale Ungleichheit ein Teil des Alltagsbewusstseins geworden ist (ebd, 87). Sie befürchten: „Zusammen mit relativ geringen durchschnittlichen Demokratie- und Lebenszufriedenheiten für sozialpolitische Problemgruppen ergeben sich hieraus Stabilitätsprobleme“ (Becker/Faik, 2010, S.87).

Ergebnisse und Besonderheiten der Messung von Gerechtigkeit sollen Ihnen im Folgenden vorgestellt werden.

(aus: OECD Fact Sheet)

Die Ergebnisse der Armuts- und Fördergrenzen sind abhängig von den zu Grunde gelegten Daten. Hier gilt, wie für andere Forschungsinteressen auch, dass nur von einem bestimmten Blickwinkel aus betrachtet werden kann. D. h. der Forscher legt fest, wie er Ungleichheit definiert und wie er bei der Messung vorgeht. Die folgende Übersicht zeigt die Ergebnisse unterschiedlicher Ansätze im Vergleich.

Berechnungsgrundlage

Armutsschwelle für Alleinstehende

Armutsquote der Bevölkerung

EU-einheitliches Verfahren nach den Laeken-Indikatoren

781 Euro im Monat

13%

Sozioökonomisches Panel

880 Euro im Monat

18%

Einkommens- und Verbrauchsstichprobe

980 Euro im Monat

 

Steuerliches Existenzminimum

8.004 Euro im Jahr

 

Pfändungsfreigrenze

989,99 Euro im Monat

 


Die Armutsschwelle in Deutschland variiert je nach der Berechnungsgrundlage.
(Aus: "Armut bekämpfen", Blätter der Wohlfahrtspflege 4/2010)

 Wie notwendig und aussagekräftig eine differenzierte Untersuchung der realen Lebensumstände sein kann, zeigt die nebenstehende, etwas ältere Übersicht.




Übersicht/Tabelle
"Aspekte deprivationsbedingter Armut"


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Um Unterschiede hinsichtlich der Gerechtigkeit zu ermitteln und Maßnahmen zur Beseitigung von Ungerechtigkeit zu entwickeln, sind ein wissenschaftlicher Umgang sowie die quantitative Messung von Gerechtigkeit unumgänglich. Der Sozialen Arbeit kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, da sie als Profession und Wissenschaft unmittelbaren Kontakt zu den sozialen Problemen vor Ort hat sowie von der Umsetzung und den Ergebnissen der praktizierten Lösungsmaßnahmen betroffen ist. (Hosemann 2010).

Bei der Bewertung der sozialen Situationen spielen die zu Grunde gelegten Kriterien, Maßstäbe und Dimensionen eine besondere Rolle. Die wesentlichen Gerechtigkeitsdimensionen werden deshalb im folgenden Abschnitt dargestellt.

Wie wichtig es ist, soziale Gerechtigkeit als messbare Größe aufzufassen und wie mit deren Ergebnissen umgegangen werden kann, zeigt der Vorschlag von dem Reeder Peter Krämer, der am 23. Juli 2010 in der Süddeutschen Zeitung erschienen ist (Läsker/Öchsner 2010):

SZ: Sie sind Millionär und wollen anderen Millionären durch höhere Steuern auf Vermögen Geld wegnehmen. Finden Sie das nicht ein bisschen komisch?

Peter Krämer: Überhaupt nicht. Mir geht es um mehr Steuergerechtigkeit. Deshalb habe ich vorgeschlagen, die Vermögenssteuer aufleben zu lassen und andere Steuern auf Vermögen u erhöhen.

SZ: Haben Sie nicht das Gefühl, Sie zahlen schon jetzt zu viel Steuern?

Krämer: Nein, ganz und gar nicht. Schauen Sie mal ins Ausland! In den USA, Japan, und Frankreich zahlen Wohlhabende das Vierfache, im Mutterland des Kapitalismus, in Großbritannien, sogar das Fünffache dessen, was hierzulande fällig ist. Wenn die Reichen in Deutschland 2,0 statt bisher 0,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zahlen müssen, das entspricht dem europäischen Durchschnittssatz, könnte der Fiskus 20 Milliarden Euro mehr einnehmen.

SZ: Wie soll das praktisch gehen?

Krämer: Wir müssen die Vermögenssteuer wieder einführen, wobei der frühere Satz von 0,6 auf 1,0 Prozent zu erhöhen wäre. Wir sollten die Steuer aber auf Privatvermögen beschränken. Betriebsvermögen sollten aufgrund der Arbeitsplätze im Mittelstand Tabu bleiben. Die Grundsteuer auf Immobilienbesitz gehört ebenso erhöht wie die Erbschafts- und Schenkungssteuer.