Einführung

Wie verändern Systeme ihre Strukturen?

Die Frage nach Strukturen ist ein zentrales Thema der Sozialen Arbeit. Soziale Arbeit beobachtet ihre eigenen Strukturen, die von KlientInnen und die der Gesellschaft. Auf der Ebene von Interaktion, Organisation bzw. Gesellschaft, kann man erkennen, wie Systeme und Strukturen entstehen und sich verändern.

Systeme sind grundsätzlich auf Strukturen angewiesen. Erst durch Strukturen grenzen Systeme ihre Wahlmöglichkeiten aus der Fülle der Komplexität ein. Es entsteht somit eine relative zeitliche Stabilität. Bis auf weiteres bleiben Strukturen, wie sie sind. Dass die Bildung von Strukturen notwendig ist und Vorteile birgt, wird nun am Beispiel der Organisation Sozialer Arbeit veranschaulicht:

Stellen Sie sich vor, es würde keine Einrichtungen der Sozialen Arbeit geben, die Familien im Fall von Erziehungsschwierigkeiten helfen. Eltern mit derartigen Problemen könnten dann zwar dennoch versuchen, sich Unterstützung zu holen, bei ihren Nachbarn klingeln, oder z. B. bei Freunden anrufen; ob die Eltern allerdings dort bekommen, was sie erhoffen, ist unsicher.

Durch die organisatorische Struktur institutionell helfender Sozialarbeit (in diesem Fall z.B. die der öffentlichen Jugendhilfe) wird nun eine gewisse Sicherheit von Erwartungen gewährleistet. Menschen können so zu recht erwarten, dass ihnen in einer bestimmten Sache, an einem bestimmten Ort, von bestimmten Personen, zu einer bestimmten Zeit geholfen wird. In verschiedensten Situationen regeln Strukturen also den Umgang mit wechselseitigen Erwartungsbildungen. Strukturveränderungen lassen sich daher auch vor dem Hintergrund sich verändernder Erwartungslagen betrachten. Wenn etwa in der Gesellschaft gewachsene soziale Gemeinschaftsformen zerfallen, dann wird Hilfe im Privaten zunehmend unsicher. Rauschenbach (1994) formuliert vor diesem Hintergrund die These, "dass die privat-lebensweltlichen Formen tendenziell abnehmen und durch eigens bereitgestellte, inszenierte soziale und pädagogische Dienste immer mehr ergänzt oder gar ersetzt werden" (ebd.: 94). Soziale Arbeit in der Gesellschaft reagiert also auf neue Formen der Hilfeerwartung durch Strukturbildung und Strukturveränderung. Hinsichtlich der Frage, wie Strukturen der Sozialen Arbeit zu denen der KlientInnen passen, lassen sich Strukturen aber auch kritisch betrachten: Z.B.: Wie steht es mit der Erreichbarkeit von Hilfe, wenn der soziale Krisendienst am Sonntag geschlossen hat?

Zudem blickt Soziale Arbeit seit jeher auch kritisch auf gesellschaftliche Strukturen und wie diese zu den Strukturen der KlientInnen passen. Z. B.: Wie viel räumliche Mobilität mutet die Struktur des Arbeitsmarktes einem mit seiner Familie in München lebenden Vater zu? Wird ihm das Arbeitslosengeld gekürzt, wenn er eine Stelle in Hamburg ablehnt?