Einführung

Wie kann ich Systeme erkennen?

Die theoretischen Überlegungen beim Beobachter beginnen zu lassen hat vermutlich überraschende Konsequenzen: Systeme lassen sich streng genommen gar nicht voraussetzungslos erkennen, sondern ‚nur' durch einen aktiven Akt entwerfen. Z.B. entscheidet die Soziale Arbeit in der Praxis immer wieder aufs neue, wer in die Hilfe einzubeziehen ist, wer zum System helfender Kommunikation dazugehören könnte und wer nicht.

Systeme als soziale Wirklichkeiten zu fassen, meint in der Sprache der Theorie, dass sie durch einen Beobachter konstruiert werden. Beobachtung als Sammelbegriff bedeutet dabei nicht einfach nur Sinneseindrücke (z.B. visuelle), sondern auch solche wirklichkeitsstiftenden Vorgänge, wie z.B. Beschreibungen, Erzählungen, Denkvorgänge und soziale Handlungen. Jeder Beobachtung liegt eine Unterscheidung zugrunde. Solche Unterscheidungen sind z.B. arm/reich, jung/alt, gut/böse, Frau/Mann oder normal/abweichend. Systemische Überlegungen, wie sie in diesem Text vertreten werden, interessieren sich nun nicht vorrangig für eine möglichst genaue Abbildung von scheinbar objektiver Realität, vielmehr unterstützen entsprechende theoretische Denkfiguren eine ‚Schärfung' von Beobachtung. Welche Unterscheidung liegt der jeweiligen Beobachtung zugrunde?

Für die Soziale Arbeit ist es von zentraler Bedeutung, die eigenen Handlungen und die Handlungen von Anderen zu beobachten. Eine der Herausforderungen in der Praxis besteht darin, Soziales zu gestalten ohne genau zu wissen, wie es ist bzw. wie es wirklich war. Systemtheorie hilft z.B. im Umgang mit Berichten und Erzählungen, mit der Beobachtung von Beobachtung.

Ein Beobachter unterliegt keiner zwingenden Notwendigkeit jeweils genau so und nicht anders beobachten zu müssen. Damit wird das Ausmaß an Autonomie des Beobachters betont. Der Begriff Kontingenz fängt theoretisch die Grade der Freiheit und die Möglichkeiten des Handelns ein. Nach Luhmann ist etwas kontingent, wenn es "so, wie es ist (war, sein wird), sein kann, aber auch anders möglich ist" (Luhmann 1984: 152). Weil er auch anders könnte, ist der Beobachter zwar autonom, seine Unterscheidungen trifft er aber nicht in einem ‚Vakuum'. Die jeweiligen Wirklichkeitskonstruktionen sind nicht beliebig oder gar willkürlich. Der Sinn, der durch Unterscheidungen entsteht, erschließt sich erst durch den Kontext, den Bezugsrahmen. "Was ein Beobachter sieht und beschreibt, hängt nicht nur von seiner Theorie, sondern auch von seinem Beobachtungsstandort, seiner gesellschaftlichen Rollendefinition und dem institutionellen Rahmen der Beobachtung ab" (Simon, 1993: 284).

Systeme kann man über Grenzen erkennen, die sie ziehen. An diesen Grenzen können auch Folgen und Unterschiede (Effekte) erkannt und zugeordnet werden.